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Politik: Erzgebirge statt Hannover

CDU-Chefin Angela Merkel reist auf den Spuren der großen Flut durch Sachsen

Von Ralf Hübner,

Lauenstein

Angela Merkel, die CDU-Vorsitzende, schaut in die Röhre. Mehr noch. Sie steht in der Röhre. Den gelben Bauarbeiterhelm leicht auf den Kopf gestülpt lässt sie ihren Blick durch das Betonrund wandern. Diese Röhre soll einmal der Überlauf des Hochwasserrückhaltebeckens der Müglitz im sächsischen Osterzgebirge werden.

Die Müglitz, das war einer jener kleinen Erzgebirgsbäche, die sich nach heftigen Regenfällen in der Nacht zum 13. August des vergangenen Jahres in einen reißenden Strom verwandelten und auf ihrem Weg in Richtung Elbe ganze Städte verwüsteten. Die Straßen in Glashütte oder Dohna im Müglitztal glichen nach der Katastrophe Geröllhalden, gänzlich unpassierbar.

Hochwasser hatte es an der Müglitz immer wieder gegeben: 1550, 1897, 1927, 1957. Bei der Flut von 1927 starben 900 Menschen. Bereits damals war über Hochwasserschutz nachgedacht worden. Im vergangenen Jahr war es dann endlich soweit. Der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens in Lauenstein wurde in Angriff genommen, der Stollen für den künftigen Überlauf durchstochen. Doch es war zu spät. Nur Tage nach dem Stollendurchbruch brach die Katastrophe über Sachsen und das Müglitztal herein. Wieder einmal hatte eine politische Entscheidung bis zur Umsetzung zu lange gebraucht. Ja, sagt Merkel, Politik neige dazu Dinge zu machen, deren Ergebnisse gleich am nächsten Tag sichtbar seien. Spontan nennt sie die Gesundheitspolitik als Beispiel. In Zukunft werde Politik weiter in die Zukunft denken müssen.

Die Sachsen haben mit dem Hochwasserrückhaltebecken in Lauenstein umgehend auf die Katastrophe reagiert. Der Damm soll entgegen ursprünglichen Planungen um 8,50 Meter aufgestockt und das Fassungsvermögen so verdoppelt werden. Die Fertigstellung ist Ende für 2005 vorgesehen. Andere Umbauten werden länger dauern. Ein Hochwasserschutzkonzept auszuarbeiten und umzusetzen brauche Zeit, heißt es im sächsischen Umweltministerium. Doch der Bund habe seine Unterstützung für den Hochwasserschutz – rund 700 Millionen Euro – bis 2005 befristet. Das ist den Sachsen zu kurz, sie haben Sorge, ihnen könnte das zugesagte Geld verloren gehen. Merkel hört geduldig zu und will sich darum kümmern. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der einige Wochen vor Merkel die sächsischen Flutgebiete bereiste, wurde schon mit dem Problem konfrontiert.

Ein Jahr nach dem Hochwasser kommt die Berliner Politprominenz, um den Wiederaufbau zu bestaunen. Merkel lässt es nicht an Lob fehlen für die Tatkraft der Sachsen. Und sie weiß, was die Leute im Erzgebirge hören wollen: dass die Flutopferhilfe über das Jahr 2004 hinaus gestreckt werden solle. Und dass das Erzgebirge eine tolle Urlaubsgegend sei: eine gute Alternative zu Hannover. Sie selbst denkt aber schon an Bayreuth, an die Festspiele, an ihren Urlaubsbeginn.

Ralf Hübner[Lauenstein]

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