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Politik: "Es ist fahrlässig, die Türkei als unbedenklich zu stempeln" - Interview mit Claudia Roth von den Grünen

Claudia Roth (44) ist Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag. Mit der Grünen-Politikerin, die dem linken Flügel ihrer Partei zugerechnet wird, sprach Matthias Meisner.

Claudia Roth (44) ist Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag. Mit der Grünen-Politikerin, die dem linken Flügel ihrer Partei zugerechnet wird, sprach Matthias Meisner.

Joschka Fischer hat sich gegen das Waffengeschäft eingesetzt. Ist das nun eine Schlappe für den Außenminister?

Es ist eine Schlappe für die deutsche Menschenrechtspolitik, ein rabenschwarzer Tag für unsere Glaubwürdigkeit. Die Entscheidung bringt für die neue Türkei-Politik des Außenministers große Probleme. Die Annäherung der Türkei an die EU, der Kandidatenstatus ohne Vorbedingungen, sollte eine Dynamik für Veränderungen in der Türkei erzeugen, hin zur Demokratie. Wenn jetzt Interesse an einem Panzergeschäft bekundet wird, dann bekommt Ankara indirekt das Zeichen, dass dort die innere Situation ganz in Ordnung ist. Es ist fahrlässig, die Türkei als unbedenklich zu stempeln.

Fischer hat gegen den Export gestimmt. Hätte er im Vorfeld mehr tun müssen?

Wir in Partei und Fraktion hätten alle mehr tun müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass Fischer es schafft, davon zu überzeugen, dass das Nein des Außenministers eine Art Veto-Wirkung hat.

Droht den Grünen denn jetzt ein neuer außenpolitischer Konflikt?

Der droht nicht nur, wir haben eine schwere Krise. In unserer Partei ist seit vielen vielen Jahren am Beispiel der Türkei Menschenrechtspolitik gemacht worden. Das war keine anti-türkische Politik, das war eine Politik im Sinne einer Demokratisierung. Die Politik der alten Kohl-Regierung haben wir über Jahre zu Recht kritisiert. Wir haben versucht, den Zusammenhang herzustellen, zwischen geschenktem Waffenmaterial der Nationalen Volksarmee, und dem Krieg, der in Türkei stattgefunden hat. Auch mit deutschen Waffen wurde so ein Krieg erst möglich. Ich vermag nicht zu erkennen, was sich jetzt so radikal verändert haben soll, dass eine rot-grüne Regierung ein Waffengeschäft ermöglicht. Die Menschenrechtslage hat sich nicht wesentlich verändert, es droht die Todesstrafe, die politische Lösung der Kurdenfrage steht aus, es gibt völkerrechtswidrige Übergriffe auf den Irak.

Zunächst geht es nur um einen Prototyp. Ist das dennoch schon das grüne Licht für die Lieferung der 1000 von der Türkei gewünschten Panzer?

Wenn ich mich an der öffentlichen Ausschreibung eines Panzergeschäftes beteilige, wenn ich mit einem Musterexemplar vorstellig werde, dann bemühe ich mich natürlich um das Geschäft. Sonst macht das gar keinen Sinn. Wenn ich es gar nicht will, dann schicke ich auch kein Muster. Dann sage ich klar, für uns gibt es kein Interesse, weil die Menschenrechtslage und die eigenen Kriterien für Rüstungsexporte es nicht hergeben. Die heutige Entscheidung ist eine Art Adelung für die Demokratie in der Türkei. Wenn es um ökonomische Fragen geht, scheinen die Menschenrechte eher hinten angestellt zu werden.

Joschka Fischer hat sich gegen das Waffengesch&aum

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