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Politik: „Es reicht“

ÖVP kündigt nach nur 18 Monaten die große Koalition mit der SPÖ auf / Neuwahlen in Österreich

Am Ende ging dann alles ganz schnell. Am Montag kurz nach zehn Uhr stellte sich ÖVP-Parteichef und Vizekanzler Wilhelm Molterer im ÖVP-Hauptquartier den wartenden Journalisten. Er setzte sich nicht auf einen Stuhl, wie er das sonst bei Parteipressekonferenzen tut, sondern er blieb tatsächlich stehen. Das sollte wohl die Dynamik und die Gewichtigkeit des Ereignisses unterstreichen. Er stand vor einem Monitor, auf dem der Slogan „Verantwortung für Österreich“ zu lesen stand – auch das ein Zeichen für die Bedeutungsschwere seines Auftritts. Und dann brauchte er genau zwei Worte, um seine Botschaft loswerden: „Es reicht.“ So knapp, so bündig und klar verständlich hatte sich Molterer seit seinem Aufstieg an die ÖVP-Spitze noch nie an die Presse gewandt. Die Klarheit und Schärfe sollte Führungsstärke zeigen, und genau die wird Molterer brauchen: In seiner eilig einberufenen Pressekonferenz hatte er die Koalition zwischen der ÖVP und SPÖ nach gerade einmal 18 Monaten Amtszeit beendet.

Und damit ist auch der Hammer über die wohl unwilligste Regierung gefallen, die Österreich je erlebt hat. Die Koalition aus den beiden Großparteien war im Januar 2007 nur deswegen gebildet worden, weil die Sozialdemokraten, die im Oktober 2006 überraschend die Volkspartei in der Wählergunst überholten, keine andere Regierung zustande brachten. Die Volkspartei selbst, die zuvor sechs Jahre mit den Rechten Jörg Haiders regiert hat, bis sich diese auf zwei Parteien namens FPÖ und BZÖ aufteilte, wiederum wollte keine Dreiparteienregierung mit zwei untereinander zerstrittenen Rechtsparteien bilden. Und so blieb damals nichts anderes als eine große Koalition. Nennenswerte Ergebnisse hat diese Regierung nicht gebracht – sondern stattdessen das geneigte Wahlpublikum eher mit einer nicht enden wollenden Serie an Streitereien und Koalitionskrisen unterhalten.

Dass Molterer nun wählen will, liegt ganz offenbar an wahltaktischen Überlegungen. Denn die SPÖ steckt derzeit in der wohl schlimmsten Krise seit Jahren. Seit Monaten machen die Landesparteien Druck auf Gusenbauer, dass dieser sein Amt abgeben solle. Zu schlecht waren die Umfragewerte der Partei, zu schlecht die persönlichen Werte Gusenbauers. Dieser klammerte sich aber bis zuletzt an seinen Kanzlerstuhl und konnte einen Putsch vor drei Wochen nur mit einem taktischen Kniff abwehren. Er inthronisierte seinen alten Weggefährten, den bisherigen Verkehrsminister Werner Faymann, als geschäftsführenden Parteichef. Bis zum Montag konnte Gusenbauer damit seinen Job zwar retten, das Rumoren in der Partei ging aber weiter, da die wichtigen Landeschefs aus Wien, der Steiermark und Oberösterreich Faymann auch gleich als Kanzler sehen wollten. In dieser konfusen Lage sind Neuwahlen für die SPÖ denkbar ungünstig. Nach dem personellen Aderlass der vergangenen Tage gibt es in der SPÖ-Führung kaum professionelle Wahlkampfmanager, die bereits einen erfolgreichen Wahlkampf geführt haben. Und auch die Tatsache, dass in einem SPÖ-Präsidium am Montag Gusenbauer ankündigte, in die Wahlen nicht als Spitzenkandidat zu gehen, sondern auch hier Faymann vorzuschicken, wird daran wenig ändern. Auch die neue SPÖ-Spitze hat sich noch nicht gefunden, und obendrein sind nach dem monatelangen Kampf mit den diversen Landesparteien die Gräben noch lange nicht zugeschüttet.

Markus Huber[Wien]

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