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Politik: Es stinkt

Von Frank Jansen

Wir wissen noch nicht alles. Vielleicht kommt die volle Wahrheit über die Bespitzelung von Journalisten durch den BND nie heraus. Auch das Ausmaß der denunziatorischen Anbiederung von Journalisten an den Geheimdienst lässt sich nur punktuell benennen. Doch das, was jetzt bekannt wird, ist eine Schande. Für den BND, der seine Befugnisse als Auslandsnachrichtendienst mit der Spitzelei im Inland eiskalt überschritten hat. Und eine Schande für die Journalisten, die beim BND Kollegen angeschwärzt haben. Sei es aus Neid, Geldgier, Rache oder einem anderen Motiv – es gibt eine rote Linie, die Journalisten nicht überschreiten dürfen. Dass dem Bundesnachrichtendienst die Charakterschwächen von Journalisten ganz gelegen kamen, um die Ausforschung von Medien auszuweiten, verstärkt noch den üblen Geruch dieser BND-Affäre.

Das Reizwort erscheint im Gegensatz zu einigen Themen, mit denen sich der so genannte BND-Untersuchungsausschuss bislang befasst, absolut angemessen. Deshalb gehört die Inlandsspionage des Auslandsdienstes auch auf die Agenda des Ausschusses. Nur so wäre halbwegs sicher, dass die Öffentlichkeit über das dubiose Treiben des BND bald mehr Aufklärung erhält. Wenn Geheimdienst und Bundesregierung nur das Parlamentarische Kontrollgremium über die Spitzelaktivitäten informieren müssen, bleibt die Wirkung begrenzt. Die Mitglieder des Gremiums sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Außerdem ist es ihnen kaum möglich, die Regierung zur Herausgabe brisanter Akten zu zwingen.

So drängt sich bei der Spitzelaffäre ebenfalls der Eindruck auf, die parlamentarischen Kontrolleure müssten deutlich mehr Kompetenzen erhalten. Auch die Idee, der Bundestag solle einen ständigen Geheimdienstbeauftragten ernennen, erscheint sinnvoll. Da solche Reformen aber nicht so schnell zu erwarten sind, ist es unvermeidlich, dass zunächst der Ausschuss dem illegitimen, vielleicht auch illegalen Gebaren des BND im Umgang mit Medien nachspürt. Dass die Bundeskanzlerin dem BND jetzt hat verbieten lassen, Journalisten als Quellen zu führen, ist ein richtiger Schritt – entbindet aber keineswegs von der Notwendigkeit vollständiger Aufklärung der Affäre.

Der Schaden, der bereits entstanden ist, dürfte selbst bei schonungsloser Offenlegung aller Machenschaften nur langsam zu heilen sein. Die Mehrheit der Bevölkerung war nach dem Terror vom 11. September 2001 bereit, den Sicherheitsbehörden zusätzliche Befugnisse zu gewähren. Die Zustimmung erfolgte im Vertrauen darauf, dass keine Behörde ihre Macht missbraucht. Dieser Glaube wurde bereits erschüttert, als im November bekannt wurde, dass der BND in den neunziger Jahren Journalisten ausspioniert hatte. Doch jetzt erfährt die Öffentlichkeit, dass der Nachrichtendienst in größerem Umfang Journalisten ausgeforscht und noch bis 2005 spionierte. Womöglich tut er es noch heute.

Spätestens jetzt müssen sich der BND sowie die politisch Verantwortlichen vorhalten lassen, das Vertrauen der Bevölkerung nicht nur in den Geheimdienst, sondern in die deutschen Sicherheitsbehörden insgesamt beschädigt zu haben. Als wäre das nicht deprimierend genug, muss man als Journalist nun auch noch feststellen, dass Kollegen mitgewirkt haben. Darunter leidet auch das Vertrauen von Journalisten untereinander – vom Glaubwürdigkeitsverlust beim Publikum ganz zu schweigen.

Das Verständnis der Öffentlichkeit für die oft schwierige Recherche einer Zeitung oder eines Senders bei sensiblen Sicherheitsthemen dürfte nun abnehmen. Manche Leser und Zuschauer zweifeln schon an der Seriosität eines Berichts, wenn Quellen nur vage als „Sicherheitskreise“ bezeichnet werden. Doch der Umgang mit Nachrichtendiensten und Polizei erfordert viel Fingerspitzengefühl. Dazu gehört, dass Gesprächspartner anonym bleiben, wenn sie gute Gründe nennen. Zwingend erscheint aber auch, dass ein Journalist Kontakte beendet, wenn er merkt, sein Wissen wird abgeschöpft. Absolut unakzeptabel ist die bewusste Denunziation von Kollegen. Auch wenn es sich nur um Einzelfälle handelte: Solche Methoden erinnern an eine Diktatur.

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