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Kampf um die Moschee. Die „Freie Syrische Armee“ hat sich in Aleppo erneut heftige Gefechte mit Truppen des Regimes geliefert. Laut Amnesty International gefährden die militärischen Operationen immer mehr die Zivilbevölkerung.

© AFP

Eskalation der Gewalt: Syriens Regime diskutiert offenbar Giftgaseinsatz

Im syrischen Bürgerkrieg droht eine neue Stufe der Eskalation. Das Regime habe Pläne, als "letztes Mittel" im Kampf gegen die Rebellen auch Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen - sagt einer, der es wissen muss.

Der ehemalige Chef des syrischen Chemiewaffenprogramms, Generalmajor Adnan Sillu, desertierte vor drei Monaten in die Türkei und gehört seitdem dem Oberkommando der „Freien Syrischen Armee“ an. Er hat nun der britischen Zeitung "The Times" gesagt, das syrische Regime plane als "letztes Mittel" auch den Einsatz von Giftgas gegen die eigene Bevölkerung. Bei Lagebesprechungen im zentralen Giftgasdepot nahe Damaskus habe es „ernsthafte Diskussionen über die Nutzung von Chemiewaffen gegeben, einschließlich wie und wo sie eingesetzt werden sollen“, sagte Sillu. Als möglicher Fall sei debattiert worden, wenn das Regime die Kontrolle über eine wichtige Region wie Aleppo verlieren sollte. Gleichzeitig erwägt das Assad-Regime nach Angaben des Ex-Generals, Giftgas für Raketen an die Hisbollah weiterzureichen. Wenn ein Krieg ausbräche zwischen Hisbollah und Israel, so anscheinend das Kalkül in Damaskus, wäre das für Syrien von Vorteil. Als Reaktion hielt Israel am Mittwoch an seiner Nordgrenze überraschend ein eintägiges Manöver ab.

Syrien besitzt neben den USA, Russland und Nordkorea das größte Chemiewaffenarsenal der Welt. Nach Angaben des abtrünnigen Generalmajors waren auch Mitglieder der iranischen Revolutionären Garden bei zahlreichen Kommandotreffen in Kasernen nahe Damaskus und Daraa dabei. „Sie haben uns ständig Wissenschaftler geschickt oder unsere Wissenschaftler zu sich geholt“, sagte er. Anfang der Woche hatte „Der Spiegel“ unter Berufung auf Augenzeugen berichtet, die syrische Armee habe Ende August auf einem Versuchsgelände nahe Aleppo den Abschuss von fünf oder sechs Granaten getestet, die mit Giftgas gefüllt werden können. Zu diesem Probeschießen seien eigens iranische Waffenexperten per Hubschrauber eingeflogen worden. Syrien verfügt über vier Produktionsstätten für Giftgas nahe den Städten Aleppo, Latakia, Homs und Hama.

Bilder aus dem syrischen Bürgerkrieg:

Innerhalb der alawitischen Führungselite in Damaskus gibt es nach Angaben des Senders Al Arabiyya offenbar zunehmend heftige Auseinandersetzungen. Interne Kritiker befürchten, dass ihre Volksgruppe nach einem Sturz des Regimes einem mörderischen Rachefeldzug der sunnitischen Mehrheit ausgesetzt sein werde. Unter Berufung auf eine hochrangige Quelle berichtet Al Arabiyya, die Schwester des syrischen Präsidenten, Bushra al Assad, habe sich am Wochenende mit ihren Kindern nach Dubai abgesetzt. Ihr Mann Assef Shawqat war bei einem schweren Bombenanschlag auf die Regimespitze Mitte Juli in Damaskus getötet worden.

Im Video: Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze:

Auch der jüngere Bruder des Präsidenten, Maher al Assad, ist seit dem spektakulären Attentat nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Die Angaben über sein Schicksal sind widersprüchlich. Mal heißt es, er habe durch den Sprengkörper ein Bein verloren, andere Quellen wollen wissen, der Kommandeur der Republikanischen Garden sei in Moskau an seinen Verletzungen gestorben.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf dem syrischen Regime derweil vor, Wohnviertel der Zivilbevölkerung immer wahlloser mit Panzern, Artillerie und Flugzeugen zu beschießen, auch wenn sich in den Häusern keine Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ verschanzt hielten. Das Vorgehen mache den Eindruck, als solle die Bevölkerung dafür bestraft werden, dass ihre Regionen mittlerweile faktisch unter der Kontrolle der Rebellen stünden. Der Bericht fußt auf Augenzeugenberichten in den Regionen von Idlib und Hama aus den ersten elf Septembertagen. Er wirft auch der „Freien Syrischen Armee“ vor, mit ihren Operationen das Leben von Zivilisten zunehmend zu gefährden.

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