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Politik: Eskalation im Nahen Osten: Deutscher Arzt bei israelischem Angriff getötet

Bei dem bislang schwersten Angriff der israelischen Armee auf Beit Dschallah im Westjordanland ist in der Nacht zum Donnerstag ein deutscher Arzt getötet worden. Der 68 Jahre alte Harald Fischer aus Gummersbach, der als Physiotherapeut arbeitete, lebte nach Angaben seiner palästinensischen Familie bereits seit zwei Jahrzehnten in der Kleinstadt bei Bethlehem.

Bei dem bislang schwersten Angriff der israelischen Armee auf Beit Dschallah im Westjordanland ist in der Nacht zum Donnerstag ein deutscher Arzt getötet worden. Der 68 Jahre alte Harald Fischer aus Gummersbach, der als Physiotherapeut arbeitete, lebte nach Angaben seiner palästinensischen Familie bereits seit zwei Jahrzehnten in der Kleinstadt bei Bethlehem. Er war am Mittwochabend ums Leben gekommen, als er Nachbarn helfen wollte, deren Haus von einer Granate getroffen worden war.

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer sagte am Donnerstag am Rande der EU-Mittelmeerkonferenz in Marseille, er sei "entsetzt und schockiert" über den Tod des Arztes. Gleichzeitig forderte er von Israel eine sofortige Aufklärung des Vorfalls. Sein israelischer Kollege Schlomo Ben-Ami habe ihm sein tiefes Bedauern über den Zwischenfall ausgedrückt und die Offenlegung aller Fakten zugesagt. Die deutsche Botschaft und der deutsche Militärattaché in Israel seien in die Untersuchung eingeschaltet.

Neben Beit Dschallah waren in der Nacht zum Donnerstag auch drei andere palästinensische Städte von israelischen Kampfhubschraubern und Artillerie heftig beschossen worden. Militante Palästinenser hatten zuvor die jüdische Siedlung Gilo am Südrand Jerusalems beschossen. Als Vergeltung setzte die israelische Armee schwere Geschütze gegen die palästinensischen Städte ein und nahm Beit Dschallah unter Feuer. Sieben Stunden lang wurde der Ort beschossen. Dabei wurden auch acht palästinensische Einwohner verletzt, unter ihnen zwei im Nachbarhaus des deutschen Arztes.

Die palästinensische Ehefrau des Arztes sagte am Donnerstag, die Familie mit drei Kindern im Alter von elf, 15 und 17 Jahren habe sich während des stundenlangen israelischen Angriffs auf Beit Dschallah in ihrem Haus versteckt. Als die Nachbarn, deren Haus getroffen wurde, um Hilfe riefen, sei ihr Mann zu ihnen gelaufen. Es sei für ihn selbstverständlich gewesen zu helfen. Dann sei er selbst von einer Granate getroffen worden, sagte seine Frau. Die schwer verstümmelte Leiche Fischers lag bis zum Morgen vor dem Haus, weil Rettungskräfte wegen des heftigen Gefechts nicht anfahren konnten.

Fischer hatte nach Angaben seiner Familie in Beit Dschallah eine physiotherapeutische Praxis gehabt, war aber inzwischen pensioniert. Er war Anfang der 80er Jahre mit "Siloah", einer deutschen "Blinden- und Aussätzigenmission" zu humanitärer Hilfe in die Palästinensergebiete gekommen und hatte dort seine spätere Frau, eine palästinensische Christin, kennen gelernt.

Tausende Palästinenser versammelten sich am Donnerstag um das Haus Fischers in Beit Dschallah, um der trauernden Familie ihr Beileid auszusprechen. Sie nahmen an einem Trauermarsch in eine örtliche Kirche teil und würdigten Fischer als "Märtyrer". Sie schwenkten dabei deutsche und palästinensische Flaggen und Spruchbänder. Am Nachmittag wurde der Mediziner auf dem lutherischen Friedhof in der Stadt beigesetzt.

Israelische Kampfhubschrauber feuerten am Donnerstagmorgen nach Armeeangaben Raketen auf drei örtliche Zentralen der Fatah-Bewegung von Palästinenser-Präsident Jassir Arafat ab. Neben den Hauptquartieren in Tulkarm, Salfit und Hebron sei ein Munitionslager in Jericho angegriffen worden. Augenzeugen in Hebron berichteten, in das dortige Hauptquartier der Fatah seien mindestens drei Raketen eingeschlagen. In dem Gebäude habe sich niemand aufgehalten. Drei in der Nähe lebende Palästinenser seien durch die Splitter geborstener Fensterscheiben leicht verletzt worden.

Der israelische Ministerpräsident Ehud Barak beriet unterdessen in Jerusalem mit dem US-Gesandten Dennis Ross über Wege zur Beendigung seit Wochen anhaltenden Gewalt im Nahen Osten. Angesichts der weiteren Zuspitzung der Lage im Nahen Osten bemüht sich Ross in Gesprächen mit beiden Seiten um eine Eindämmung der Gewalt. Aus israelischen Regierungskreisen verlautete, Ross strebe eine Feuerpause zwischen Israel und den Palästinensern und Schritte zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen an. Nach einem Bericht des Fernsehsenders Channel 2 berieten Ross und Barak über einen Vorschlag von US-Präsident Bill Clinton, der einen Gipfel in den USA vorgeschlagen habe.

Ross betonte nach seinem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten, es gebe keine militärischen, sondern nur diplomatische Lösungen für den Konflikt. Arafat sagte nach einem Treffen mit Ross in Gaza, die Palästinenser bemühten sich um die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen, noch bevor US-Präsident Bill Clinton im Januar aus dem Amt scheidet.

Israel stellt Zahlungen ein

Israel stellte unterdessen Zahlungen an die Palästinenser ein. Bis auf weiteres würden die den Palästinensern zustehenden Zoll- und Steuereinnahmen nicht mehr ausbezahlt, sagte Barak im Militärrundfunk. Vor allem in dem 1995 in Paris geschlossenen Wirtschaftsabkommen hatte sich Israel verpflichtet, der palästinensischen Autonomiebehörde Zölle und Mehrwertsteuer in Höhe von mehreren Hundert Millionen Dollar auf Waren, die durch israelisches Gebiet in die Palästinensergebiete gebracht werden, zurückzuerstatten. Durch das Einfrieren der Gelder sei die wirtschaftliche Lage in den Palästinensergebieten "kritisch", sagte Arafat. Aufgrund der Blockaden seit Beginn der Unruhen sind zudem 120 000 Palästinenser arbeitslos, die in Israel gearbeitet hatten.

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