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Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) vor dem Hauptquartier der UN in New York.

© dpa/ Michael Kappeler

Eskalation in Idlib: Maas wirft Assads Armee und Russland Kriegsverbrechen vor

Die Lage in der letzten großen Rebellenhochburg Idlib in Syrien wird immer dramatischer. Fast eine Million Menschen sind auf der Flucht.

Angesichts der militärischen Eskalation in der syrischen Rebellenprovinz Idlib hat Bundesaußenminister Heiko Maas das Vorgehen der syrischen Armee und Russlands als Kriegsverbrechen gebrandmarkt. „Als Konfliktparteien stehen sie in der Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schützen. Stattdessen bombardieren sie zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser und Schulen“, sagte Maas am Donnerstag vor dem UN-Sicherheitsrat. „Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus sprechen niemanden von der Einhaltung des humanitären Völkerrechts frei.“

Vor der Sitzung hatte der SPD-Politiker im ARD-„Mittagsmagazin“ erneut eine sofortige Waffenruhe gefordert. „Das Leid der Menschen vor Ort ist unbeschreiblich“, sagte Maas.

Unterstützt von der russischen Luftwaffe hatte die syrische Armee im vergangenen Jahr einen Offensive auf die Region um Idlib im Nordwesten Syriens begonnen. In den vergangenen Wochen konnten die Armee und pro-iranische Milizen wichtige Geländegewinne erzielen. Allerdings gelang es Rebellen jetzt nach Angaben von Beobachtern, einen strategisch wichtigen Ort zurückzuerobern.

Nach UN-Angaben sind seit Anfang Dezember fast 950.000 Menschen vor der Gewalt geflohen. Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Lebensmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Hilfsorganisation sprechen vom schlimmsten Flüchtlingsdrama seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor fast neun Jahren.

Kremlchef Wladimir Putin dämpfte am Donnerstag die Hoffnungen auf einen vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgeschlagenen Syrien-Gipfel, an dem auch Deutschland und Frankreich teilnehmen sollen. Erdogan wolle dort mit Putin, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die Lage in Idlib reden. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte zuletzt bestätigt, dass von einem „zeitnahen“ Treffen gesprochen worden sei, ohne ein genaues Datum zu nennen.

„Das ist im Zeitplan von Präsident Putin bislang nicht vorgesehen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow jedoch. An dem Tag habe Putin andere Pläne. Es gebe aber andere Formate, bei denen Russland auf Experten-Ebene mit der Türkei über die Lage in Nordsyrien spreche.

Das Außenministerium in Moskau sah zunächst keine Notwendigkeit, über einen Vierer-Gipfel zu sprechen. „Wenn wir über bilaterale Probleme sprechen, sollten sie in einem bilateralen Format gelöst werden“, sagte Sprecherin Maria Sacharowa. Gespräche dazu liefen bereits.

„Brutale Aggression des Assad-Regimes“

US-Verteidigungsminister Mark Esper habe mit seinem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar über die „brutale Aggression des Assad-Regimes“ in Idlib gesprochen, das von Russland und dem Iran unterstützt werde, teilte Pentagon-Sprecherin Alyssa Farah mit. Die USA untersuchten Möglichkeiten, wie sie mit der Türkei und der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten könnten.

Im Nordwesten Syriens gingen die Kämpfe unterdessen weiter. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, sei es den Rebellen gelungen, die strategisch wichtige Stadt Sarakib wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie hatten den Ort erst in diesem Monat an syrische Regierungstruppen verloren. Der Ort liegt an zwei Verbindungsstraßen, die der oppositionellen Syrischen Nationalarmee zufolge beide unterbrochen wurden. Dazu zählt auch eine Achse zwischen der Hauptstadt Damaskus und Aleppo. Türkische Artillerie habe die Truppen Assads massiv beschossen, meldeten die Menschenrechtsbeobachter.

Russische Militärkreise dementierten die Einnahme der Stadt allerdings. Alle Angriffe seien von den syrischen Truppen abgefangen worden, hieß es der russischen Staatsagentur Tass zufolge.

Rund drei Millionen Zivilisten in umkämpften Gebiet

Erdogan forderte einen Rückzug der Regierungsanhänger und drohte mit einem Militäreinsatz, sollte das nicht bis Ende Februar geschehen. Die Türkei unterstützt die Rebellen und hat in der Region Idlib mehrere Beobachtungsposten. Die Region im Nordwesten Syriens ist eines der letzten großen Rebellengebiete des Landes. Die Gegend wird von der Al-Kaida-nahen islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) dominiert. Es kämpfen dort aber auch gemäßigte Gruppen. Zudem halten sich nach Schätzungen rund drei Millionen Zivilisten in dem Gebiet auf.

Bei einem Luftangriff in der Region wurden nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums zwei türkische Soldaten getötet. Erdogan sprach am Donnerstag von drei getöteten Soldaten in Idlib. Damit dürfte die Zahl der in rund einem Monat in der Region getöteten türkischen Militärangehörigen auf 20 gestiegen sein.

Bei Angriffen auf Wohngebiete in der Provinz Idlib seien in dieser Woche zahlreiche Zivilisten zu Opfern geworden, erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans frontières/MSF). Ärzte in Krankenhäusern hätten von 18 Toten und 185 Verletzten berichtet. „Dieser willkürliche Beschuss mit Bomben und Granaten am Dienstag kann praktisch nur von der syrischen Regierung und ihren Verbündeten ausgegangen sein“, sagte Meinie Nicolai, Leiterin des Operationalen Zentrums von MSF in Brüssel. Auch zwei Schulen und zwei Kindergärten seien getroffen worden. Kritiker werfen der Armee und Russland vor, gezielt wichtige Infrastruktur zu bombardieren. (dpa)

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