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Politik: …Eskimos olympisch werden

Es ist schon sonderbar mit den kleinen Volksstämmen, die an den Rändern ganz großer geographischer Katastrophengebiete siedeln. Dort haben sie sich seit jeher in Sportarten geübt, die an keinem anderen Fleck der Welt eine winzige Chance auf Popularität hätten.

Es ist schon sonderbar mit den kleinen Volksstämmen, die an den Rändern ganz großer geographischer Katastrophengebiete siedeln. Dort haben sie sich seit jeher in Sportarten geübt, die an keinem anderen Fleck der Welt eine winzige Chance auf Popularität hätten. Wenn etwa die Schotten mit Baumstämmen um sich werfen, die Gallier Hinkelsteine wuchteten oder Eskimos bei ihren olympischen Spielen, die heute beginnen, mit schweren Gewichten an den Ohren durch Fairbanks (Alaska) wanken, dann sehen wir FußballLeichtathletik-Kanu-Nation dies mit einigem Befremden.

Zu Unrecht. Denn ein Volk, das 100 verschiedene Begriffe für Schnee haben soll, kann nicht einfach 100 Meter laufen. Selbst eine Eskimorolle ist den Eskimos zu banal. Die olympische Tranfunzel wird in den kommenden Tagen nur dann hell lodern, wenn Menschen in schweren Decken in die Höh’ geschleudert werden; wenn sich Athleten in Eisbärenhosen rüde an den Ohren ziehen; wenn der „Wer-rohe-Schwarte-essen-will-muss-ganz-schnell-kommen“ -Signalhochsprung der Walfänger mit beiden Füßen ausgeführt wird.

Woran aber misst sich Erfolg in einem Land, in dem es sechs Monate hell und sechs Monate dunkel ist? Von Fräulein Smilla wissen wir, dass dem Eskimo die Zeit nichts ist. Fräulein Smilla sagt: „Wir fanden Armbanduhren hübsch. Aber wir dachten nicht im Traum daran, uns danach zu richten. Wir richteten uns nach dem Wetter. Nach der Liebe. Nach dem Tod. Aber nicht nach einem Stück Blechmechanik.“ Was hätte Peter Høegs Heldin zu einer olympischen Stoppuhr gesagt? „Qanga tikinniqpit?“ (Wann bist du angekommen?), wird der Zeitnehmer von Fairbanks die „Ich-verziehe-mich-flott-vor-dem-Eisbären“- Läufer fragen. Die werden mit „sininnirama“ (Keine Ahnung, ich bin eingeschlafen) antworten – und sich damit für einen Medaillenplatz qualifizieren.

100 verschiedene Begriffe für Schnee? Sie haben nicht einen einzigen für Geschwindigkeit, Leistung oder Ehrgeiz. Fräulein Smilla meint, man könne ihnen das auch nicht beibringen.

Das lässt die Probleme der Jesuiten ahnen, als sie den Eskimos die Bibel und das Lamm Gottes brachten. Schließlich gibt es keine Lämmer am Pol, allenfalls Babyrobben. Nicht, dass sie ihre Mission deshalb aufgegeben hätten, die Jesuiten. Aber im Sauerland waren sie erfolgreicher. Der Sauerländer kennt zwar nur zehn verschiedene Begriffe für Regen. Aber er weiß, was ein Schaf ist.uwe

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