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Volkan Bozkir

© promo

EU-Beitritt der Türkei: „Wir werden die Frage nach der Mitgliedschaft stellen“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im türkischen Parlament, Volkan Bozkir, fordert eine klare Beitrittsperspektive für sein Land. Außerdem kritisiert er, dass die Türkei das einzige EU-Beitrittland sei, für dessen Bürger weiterhin Visa-Pflicht bestehe.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im türkischen Parlament hat eine baldige Entscheidung der EU über den Beitritt der Türkei eingefordert: „Wir haben es bisher vermieden, die Frage zu stellen, aber wir werden sie stellen“, sagte Volkan Bozkir dem Tagesspiegel. Das Ankara-Abkommen von 1963 – der Assoziierungsvertrag mit der EWG, der der Türkei die Mitgliedschaft in Aussicht stellte – werde im September fünfzig Jahre alt, sagte Bozkir. Auf einen Termin wolle er sich nicht festlegen, aber „nach fünfzig Jahren kann man nicht mehr sagen: Wir warten noch zehn oder zwanzig Jahre.“ Bozkir schloss aber aus, dass sein Land sich von sich aus zurückziehen werde. „Das wird dann eine Entscheidung der EU sein.“ Die Türkei setze die Forderungen der EU für den Beitritt weiterhin um, „so als würden wir morgen Mitglied“.

Der 62-jährige Jurist Bozkir ist seit zwei Jahren Parlamentsabgeordneter für Istanbul und Mitglied der regierenden AKP von Premier Erdogan. Er war zuvor mehr als dreißig Jahre im diplomatischen Dienst; von 2005 bis 2009 fungierte er als Botschafter und ständiger Vertreter seines Landes bei der EU. In den 90er Jahren arbeitete er als außenpolitischer Berater der Staatspräsidenten Turgut Özal und Süleyman Demirel.

Nach den Worten von Bozkir hat sich die Lage in den vergangenen Jahren zugunsten der Türkei verändert. Allein im letzten Jahrzehnt hätten sich etwa das Pro-Kopf-Einkommen und das Handelsvolumen verdreifacht. „Sollten wir irgendwann wissen, dass wir nicht Teil der EU werden, werden wir traurig sein. Aber die Türkei kommt inzwischen auch ohne die Europäische Union zurecht.“

Bozkir zeigte sich bitter über die Behandlung seines Landes durch Europa: Als Griechenland und Irland in die EU aufgenommen wurden, seien türkische Politiker noch auf dem üblichen Gipfel-Familienfoto gewesen, aber „seit 2004 gab es praktisch keine Einladung mehr an hochrangige türkische Politiker“. Außerdem bestehe das Visa-Problem und das werde „immer verletzender“. Die Türkei sei in der Geschichte der EU-Erweiterung die einzige Beitrittskandidatin, deren Bürger nicht von der Visapflicht befreit worden seien; die meisten künftigen Mitglieder hätten sogar schon vor Aufnahme von Verhandlungen Visa-Erleichterungen genossen. Die Angst vor allem Deutschlands, dass zig Millionen Türken auf gepackten Koffern säßen, hält er für unbegründet. Die Türkei entwickle sich wirtschaftlich so stürmisch, dass „wir eher Grund hätten, Visa für einige EU-Länder einzuführen“.

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