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Der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen.

© REUTERS

EU-Binnenmarkt: DGB fürchtet mehr Scheinselbstständigkeit durch EU-Dienstleistungskarte

Die EU-Kommission will mit einer Dienstleistungskarte den bürokratischen Aufwand für Anbieter aus dem EU-Ausland verringern. Verbände und Gewerkschaften wollen die Karte verhindern.

Die geplante europäische Dienstleistungskarte stößt bei Verbänden und Gewerkschaften in Deutschland auf Widerstand. Vor einer entscheidenden Abstimmung im Binnenmarktausschuss des Europaparlaments an diesem Mittwoch haben der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) an Parlamentarier des EU-Parlaments appelliert, das Vorhaben der EU-Kommission abzulehnen. Die geplante Dienstleistungskarte werde „Scheinselbstständigkeit erleichtern und damit die Umgehung von Tarifverträgen ermöglichen“, heißt es in einem Schreiben des DGB, des ZDH und der Industriegewerkschaft BAU an Europaabgeordnete, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Die elektronische europäische Dienstleistungskarte soll aus Sicht der Kommission Dienstleistern – etwa Ingenieurbüros oder IT-Beratern – das grenzüberschreitende Geschäft erleichtern. Die sogenannte E-Card soll den bürokratischen Aufwand für Dienstleister aus dem EU-Ausland verringern. Ein Beispiel: Ein Elektroinstallateur aus Prag soll mithilfe der Karte künftig die Möglichkeit haben, an einer zentralen Stelle in seinem Heimatland seine Qualifikation online nachzuweisen, bevor er seine Dienste im EU-Ausland anbietet. Anschließend kann er sich mit der – auf Tschechisch verfassten – elektronischen Dienstleistungskarte in Sachsen niederlassen. Kritiker wenden ein, dass den deutschen Behörden in dem Verfahren nur sehr kurze Fristen bleiben, um die auf der E-Karte angegebene Qualifikation zu überprüfen.

Die Dienstleistungskarte ist Teil eines Dienstleistungspakets, das die EU-Kommission im Januar 2017 vorgelegt hatte. Bei der Vorstellung des Pakets erklärte der Vizepräsident der Kommission, Jyrki Katainen, seinerzeit, dass eine bessere Nutzung des Binnenmarktes zu mehr Arbeitsplätzen führen werde.

Allerdings hakt der EU-Gesetzgebungsprozess zur Dienstleistungskarte ein gutes Jahr nach der Präsentation Katainens. Die Verhandlungen unter den EU-Mitgliedstaaten über die E-Card stocken. Grundsätzlich sprechen sich die mittel- und osteuropäischen EU-Staaten für geringere Barrieren im europäischen Binnenmarkt aus, während sich die westeuropäischen Länder eher gegen eine weitere Liberalisierung sperren.

Das Ergebnis der Abstimmung im Binnenmarktausschuss ist offen

Eine Signalwirkung für die Positionierung des Europaparlaments geht von der Abstimmung im Binnenmarktausschuss an diesem Mittwoch aus. Wie das Votum ausgehen wird, ist offen. Die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuss wollen gegen die Einführung der E-Card stimmen, Grüne und Vertreter der Linksfraktion ebenfalls. Möglicherweise werden auch die Vertreter der Rechts-Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (EFDD) die Dienstleistungskarte ablehnen. Die Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im EU-Parlament, zeigten sich vor der Abstimmung gespalten. Die Liberalen und die Vertreter der rechtskonservativen EKR-Fraktion wollen für die E-Card stimmen.

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