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Verschiedene Systeme, verschiedene Werte: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen beim Video-Gipfel mit China.

© imago images/Xinhua

EU-China-Gipfel endet ergebnislos: Die EU muss gegenüber Peking hart bleiben

Der Ton der Europäer gegenüber China wird schärfer. Das war überfällig. Jetzt müssen sie den neuen Kurs durchhalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Das sind neue Töne. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt China nach dem ergebnislosen Videogipfel mit Präsident Xi und Premierminister Li unverbrämt an den Pranger. „Wir sehen Angriffe auf unsere Computersysteme und Krankenhäuser. Wir kennen die Urheber.“ Die EU werde die Desinformationskampagnen nicht dulden.

Das ist ein Schwenk. Im April und Mai hatte Brüssel seine kritischen Berichte über China in der Coronakrise noch auf Druck abgemildert.

Auch beim Kernthema des Gipfels, dem Investitionsabkommen, wurde der Vorsitzende des Europäischen Rats, Charles Michel, deutlich. „Wir brauchen Fortschritte, um unsere Beziehung in die Balance zu bringen.“

Und was bringt die harte Rhetorik? Nichts Zählbares zunächst. Nur die EU gab eine Pressekonferenz nach dem Gipfel. Chinas Führung schwieg, machte weder Zugeständnisse noch Friedenszeichen. China hat Jahrhunderte mehr Erfahrung mit Diplomatie als die EU. Es setzt sich nicht öffentlich auf die Anklagebank. Und verweigert das Eingeständnis, dass es Meinungsverschiedenheiten gibt.

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Peking hat Übung, wie man seine Interessen durch zähe Verhandlungsführung verfolgt und Spaltlinien im gegnerischen Lager nutzt. Die EU steht nicht geschlossen hinter der härteren Gangart. Von der Leyen nennt China einen „systemischen Rivalen“ und führt aus: „Wir haben sehr unterschiedliche Systeme“ und „ein sehr unterschiedliches Verständnis von Werten“. Der Außenbeauftragte Josep Borrell widerspricht: „Wir wollen keine systemische Rivalität mit China.“

Europas Wende: verschiedene Kurse, verschiedenes Tempo

Die Chinapolitik der Europäer ist mitten in einem Wendemanöver – allerdings in unterschiedlichem Tempo und auf verschiedenen Wendekursen. Die über Jahrzehnte gepflegte Hoffnung, man müsse mit Peking wirtschaftlich und politisch ins Geschäft kommen, dann werde sich China allmählich öffnen und verwestlichen, hat sich nicht erfüllt. „Wir waren ein bisschen naiv“, sagt Borrell. Aber „wir sind nicht mehr naiv.“

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Auch in Deutschland, Chinas größtem Handelspartner in Europa, ist der Ton schärfer geworden. Lange galt die Wirtschaft als Faktor, der die Bundesregierung um Leisetreterei bittet, um nur ja nicht die Geschäfte zu gefährden. Nun fordert der BDI mehr Härte der EU beim Investitionsabkommen und mit Blick auf Hongkong. Er kritisiert China. Peking zeige viel zu wenig Entgegenkommen. Besser gar kein Abkommen als eines, das China unfair begünstigt.

Die neue Linie ist überfällig. Nun braucht die EU Geduld. Und mehr Einigkeit. Peking wird nicht rasch einlenken. Es wird abwarten, wie ernst es der EU – und Deutschland, dem mächtigsten Mitglied – ist. Und testen, mit wie wenig Zugeständnissen es durchkommt. Der gescheiterte Video-Gipfel war ein erster Schritt auf einem langen Weg. China wird seine Märkte erst öffnen, wenn die Folgen der Weigerung richtig weh tun.

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