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EU: Die großen Stücke der Torte

Die EU-Spitzenposten sind erst 2009 wieder zu besetzen – aber schon jetzt wird heftig spekuliert.

Berlin - Die Arbeitsplatzbeschreibung ist ziemlich vage – noch. Der erfolgreiche Bewerber soll vom 1. Januar 2009 an die Europäische Union nach außen vertreten, die EU-Gipfel vorbereiten, aber gleichzeitig den europäischen Staats- und Regierungschefs nicht zu sehr ins Handwerk pfuschen. Die Rede ist vom künftigen EU-Ratspräsidenten – ein Amt, das im europäischen Reformvertrag von Lissabon vorgesehen ist. Damit er seine Arbeit aufnehmen kann, muss allerdings der Reformvertrag in allen 27 EU-Staaten ratifiziert sein. Aber auch wenn das Verfahren erst Ende des Jahres abgeschlossen sein dürfte, sind die Personalspekulationen schon seit Monaten ein europäisches Dauerthema. Wird es Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker? Oder der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski? Oder vielleicht doch ein Überraschungskandidat wie der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen?

Aber nicht nur der Posten des EU-Ratspräsidenten ist zu vergeben: Der Lissabon-Vertrag sieht auch das neue Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik vor, den viele der Einfachheit halber „EU-Außenminister“ nennen. Und schließlich läuft im kommenden Jahr auch die Amtszeit der gegenwärtigen EU-Kommission ab. Zwar wäre der europäische Top-Job des Kommissionspräsidenten 2009 auch wieder zu besetzen, wenn es keinen Reformvertrag gäbe. Bei den Diskussionen darüber, wie die künftigen EU-Spitzenposten so zu verteilen sind, dass möglichst viele in der Gemeinschaft damit glücklich sind, wird er dennoch häufig im selben Atemzug erwähnt.

Einer, der dies tut, ist Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Nach seinen Worten hat sich in den bisherigen Hintergrundgesprächen gezeigt, „dass die osteuropäischen Mitgliedsstaaten einen der wichtigen Posten – also EU-Ratspräsident, EU-Außenminister, Kommissionschef – für sich beanspruchen wollen“. Zudem gebe es „einen starken Trend, damit einer der drei Posten von einer Frau besetzt wird“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Es zeichne sich außerdem deutlich ab, dass die beiden großen europäischen Parteienfamilien – also die Christdemokraten und die Sozialisten – die beiden Ämter des Ratspräsidenten und des Außenministers jeweils mit einem ihrer Vertreter besetzen werden. Als Ratspräsident komme aus seiner Sicht jedoch nur jemand infrage, „der die europäische Integration befördert und nicht gebremst hat“, sagte Asselborn weiter – eine kaum verhüllte Kampfansage gegen den ebenfalls als Kandidaten genannten britischen Ex-Premierminister Tony Blair.

Als derzeit aussichtsreichster Bewerber für den Posten des EU-Ratspräsidenten gilt Asselborns Landsmann Juncker, der zum Lager der Christdemokraten gehört. Der jetzige EU-Außenbeauftragte, der Spanier und Sozialist Javier Solana, dürfte sich um den aufgewerteten Posten des „EU-Außenministers“ bewerben, während der konservative Portugiese José Manuel Barroso eine zweite Amtszeit auf dem Chefsessel in der EU-Kommission anstrebt.

Der Vorsitzende des EU-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), warnte hingegen: „Wir sollten uns nicht vorschnell auf bestimmte Personen festlegen.“ Auch in Deutschland gebe es „fähige Persönlichkeiten“, die einen der EU-Spitzenposten bekleiden könnten, sagte er dieser Zeitung.

Um seine Chancen für eine erneute Nominierung durch die europäischen Staats- und Regierungschefs nicht zu gefährden, steuert EU-Kommissionschef Barroso derweil einen vorsichtigen Kurs. Er will es sich mit niemandem verscherzen – das gilt insbesondere für Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch für Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy. Die Kanzlerin war es seinerzeit gewesen, die Barroso vor knapp vier Jahren auf den Chefposten verhalf. Zuvor hatte sie den Plan des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder durchkreuzt, den seinerzeitigen belgischen Regierungschef Guy Verhofstadt zum Chef der Brüsseler Behörde zu machen. Was die Chancen Barrosos für eine zweite Amtszeit anbelangt, so gibt man sich in Berlin gerne zugeknöpft. Es sei „zunächst nüchtern zu prüfen“, findet der CDU-Politiker Krichbaum, ob der Portugiese auch 2009 noch einmal antreten solle. Es gebe allerdings keinen „Automatismus“ dafür.

Nach Angaben von Diplomaten pfiff die Kanzlerin Barroso im vergangenen Dezember zurück, als der Portugiese an einem Treffen in Rom mit Sarkozy, dem italienischen Premier Romano Prodi und Spaniens Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero teilnehmen wollte. In Rom wollte Sarkozy sein Projekt der Mittelmeerunion auch mit der Hilfe des Kommissionschefs voranbringen – doch die Kanzlerin erhob Einspruch. Anschließend mischte sich Barroso in die Debatte um die Mittelmeerunion nicht mehr ein. Statt sich für Merkels Haltung starkzumachen, wonach die Mittelmeerunion entgegen dem ursprünglichen Wunsch Sarkozys keine Exklusiv-Veranstaltung für die Anrainer sein soll, hielt Barroso lieber still – um Sarkozy nicht zu brüskieren.

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