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Kontinent im Sturm: Die EU hat auch 2017 zahlreiche Herausforderungen zu meistern.

© dpa

EU: Diese Gesichter werden Europa 2017 prägen

Die EU steht 2017 sowohl intern als auch extern unter Druck – vor allem wegen des Zulaufs anti-europäischer Nationalisten. Wer wird die EU nach 2016, dem annus horribilis, besonders beeinflussen? EurActiv Brüssel berichtet.

Diese Menschen werden das neue Jahr prägen (Auflistung in zufälliger Reihenfolge).

Donald Trump

Der künftige US-Präsident Donald Trump.
Der künftige US-Präsident Donald Trump.

© Reuters

Sein Wahlsieg war nach dem Brexit-Votum ein zweiter schwerer Schock für viele Europäer und gleichzeitig ein Quell der Inspiration für Euroskeptiker. Am 20. Januar wird der Immobilienmogul ins Weiße Haus einziehen. Seine Politik – ob sie nun den Wahlkampfversprechen entspricht oder nicht – wird weitreichende Auswirkungen auf Europa haben. Hohe Haushaltsausgaben in den USA könnten Unternehmen in der wirtschaftlich angeschlagenen EU zu neuem Schwung verhelfen und für mehr Stabilität sorgen. Ein protektionistischer Ansatz hingegen könnte das Gegenteil bewirken. Trumps vage Vorstellungen zur Nato-Finanzierung und seine Bemühungen um ein besseres Verhältnis mit Russland brachten die EU bereits dazu, eigene Verteidigungsstrategien auszuloten.

Jaroslaw Kaczynski

Der Vorsitzende von Polens regierenden Nationalkonservativen (PiS), Jaroslaw Kaczynski.
Der Vorsitzende von Polens regierenden Nationalkonservativen (PiS), Jaroslaw Kaczynski.

© Reuters

Als treibende Kraft hinter der rechten Regierung in Polen setzte sich Kaczynski über Warnungen aus Brüssel hinweg und erließ Einschränkungen für das polnische Verfassungsgericht. Sein Kräftemessen mit der EU vertieft die Ost-West-Differenzen innerhalb der Union immer weiter. Bis Ende Februar hat Warschau offiziell Zeit, seinen bisherigen Kurs zu ändern. Kaczynski hofft jedoch, dass Verbündete wie Viktor Orban aus Ungarn mögliche Strafen blockieren werden. Polen gilt als führendes Schwergewicht unter den ex-kommunistischen Staaten im Osten der EU. Britische Diplomaten sind bereit, bei den Brexit-Gesprächen auf die Ost-West-Spaltung zu setzen. Moskau wirbt inzwischen verstärkt um ehemalige Sowjet-Verbündete, trifft jedoch bei Kaczynski auf taube Ohren. Er macht Russland für den Flugzeugabsturz von 2010 verantwortlich, bei dem der damalige polnische Präsident, sein Zwillingsbruder Lech, ums Leben kam.

Geert Wilders

Der Chef der niederländischen Freiheitspartei, Geert Wilders.
Der Chef der niederländischen Freiheitspartei, Geert Wilders.

© Reuters

Europas Wahljahr bietet auch den Niederländern die Möglichkeit, einen neuen Kurs einzuschlagen. Sollten sich die Meinungsumfragen bestätigen, könnte bald die islamfeindliche Freiheitspartei von Geert Wilders zur stärksten Kraft im Parlament werden. Da sie auf einen Koalitionspartner angewiesen sein wird, ist es unwahrscheinlich, dass sie tatsächlich eine Regierung bilden kann. Dennoch könnte ihr Wahlsieg dafür sorgen, dass Deutsche und Franzosen etwas später im Jahr ebenfalls eher für rechtspopulistische beziehungsweise rechtsextreme Parteien stimmen. Die EU wird genau beobachten, wie die Niederlande als einstiges Gründungsmitglied mit einem Mann verfahren werden, der dem britischen Beispiel folgen und sich von Brüssel lossagen will. Werden sich die Volksparteien des Landes verbünden, um ihn von der Macht fernzuhalten und so seine Anziehungskraft als Einzelgänger noch weiter stärken? Oder werden sie ihm freie Hand lassen, um seine Rhetorik mithilfe der harten Realität des Regierungsgeschäftes zu mäßigen?

Theresa May

Die britische Regierungschefin Theresa May.
Die britische Regierungschefin Theresa May.

© AFP

„Brexit heißt Brexit.“ Die britische Premierministerin wird ihr Mantra etwas genauer ausführen müssen, wenn sie Brüssel spätestens am 31. März jenes Schreiben zukommen lässt, mit dem sie den zweijährigen Austrittsprozess einleiten wird. Sie muss stets ihr Pokerface bewahren und sowohl ihre Partei als auch ihr Land vereinen, dessen politische und gesellschaftliche Differenzen zur Abspaltung einzelner Bestandteile führen könnten. Darüber hinaus wird es ihre Aufgabe sein, mit den Europäern zu verhandeln, die ihrerseits befürchten, jedes Zugeständnis könnte ein weiterer Nagel im Sarg der EU sein und andere Länder ebenfalls zum Austritt motivieren.

Marine Le Pen

Frankreichs Front-National-Chefin Marine Le Pen.
Frankreichs Front-National-Chefin Marine Le Pen.

© Reuters

All das könnte völlig bedeutungslos werden, sollte die Parteichefin des rechtsextremen Front National am 7. Mai zur Präsidentin Frankreichs gewählt werden. Ein Sieg in der ersten Wahlrunde am 23. April ist ihr nahezu sicher. Viele zweifeln jedoch daran, dass sie die Mehrheit der Franzosen in der darauffolgenden Stichwahl für sich gewinnen kann – eine Hürde, an der auch schon ihr Vater 2002 scheiterte. Seit dem Brexit und der Wahl Trumps vertraut jedoch kaum noch jemand auf die Ergebnisse der Meinungsumfragen. Die 48-Jährige Marine Le Pen hat schon jetzt Millionen von Menschen überzeugt, die bis dato noch nie für den offen antisemitischen Front National unter Le Pen Senior gestimmt hatten. Viel wird davon abhängen, wem sie in der zweiten Runde gegenübersteht. Sollte sie jenes Land regieren, das die EU erdacht hat, könnte dies das Ende der Union, wie wir sie kennen, bedeuten.

Afrikanische Einwanderer

Flüchtlinge auf einem Boot in der Nähe von Lampedusa.
Flüchtlinge auf einem Boot in der Nähe von Lampedusa.

© AFP

Afrikanische Migranten, die nach dem Winter nach Italien zu reisen hoffen, könnten dazu gezwungen werden, ihre Situation zu überdenken. Die EU gestattet ihren Regierungen, auf Hilfsgelder zurückzugreifen, um die Gewässer vor Libyen besser zu patrouillieren und massenhaft Rückführungen vorzunehmen. So setzt Brüssel auf eben jene Methoden, mit denen es schon den Flüchtlingsstrom von Syrien nach Griechenland ausbremste. Migranten sollen mit dieser Politik die Chancen und Risiken neu abwägen: Warum der Sahara und der rauen See trotzen, um letzten Endes festgehalten und zurückgeschickt zu werden?

Wladimir Putin

Russlands Präsident Wladimir Putin.
Russlands Präsident Wladimir Putin.

© dpa

Der Kreml-Chef spielt ein unberechenbares taktisches Spiel, um Moskaus globalen Einfluss wiederherzustellen. Er kann auf viele Arten mit westlichen Nachbarn Freundschaften schließen oder aber für Ärger sorgen – zum Beispiel, indem er ihre Gasversorgung kontrolliert oder politische Widersacher unterstützt. Seit Russland 2014 die Krim annektierte, ist sich niemand in der EU mehr sicher, was Putin als nächstes unternehmen wird. Bis zum 31. Juli müssen führende EU-Politiker entscheiden, ob sie die Sanktionen gegen Putin im Ukrainekonflikt verlängern oder aufheben werden. Sollte Trump die Reihen brechen und US-Sanktionen zurücknehmen, wird die EU einzelne Mitgliedsstaaten nur schwer davon abhalten können, eine Verlängerung zu blockieren.

Sergio Mattarella

Italiens Präsident Sergio Mattarella.
Italiens Präsident Sergio Mattarella.

© Reuters

Der 75-jährige italienische Präsident, ein bedachter Anwalt aus Sizilien, ging in die Politik, nachdem sein Bruder von der Mafia ermordet wurde. Heute befindet er sich im Zentrum eines politischen Sturms. Er muss zerstrittene Parteien zum Regieren zusammenführen, während diese sich auf eine Wahl zu einem unbestimmten Zeitpunkt vorbereiten – und das in einem Rechtsrahmen, der sich jederzeit ändern könnte. Italiens Euro-Partner sorgen sich um das tief verschuldete Land und seine schwächelnden Banken. Anders als Griechenland oder Portugal ist Italien zu groß, um zu scheitern, und gleichzeitig zu groß, um gerettet zu werden.

Angela Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© Reuters

Wird sich die Kanzlerin bei den Bundestagswahlen im September eine vierte Amtszeit sichern können? Europas führende Politikerin steht dem wachsenden Unmut ihrer Bevölkerung angesichts der 890.000 Asylsuchenden gegenüber, die 2015 nach Deutschland kamen. Es wird damit gerechnet, dass die AfD bei der Bundestagswahl im September ins Parlament einzieht. Merkel gilt als Garantin der EU-Zugehörigkeit Deutschlands. Die Bundesrepublik ist seit Ende der dunkelsten Kapitel des vergangenen Jahrhunderts wichtiger Bestandteil eines stabilen Europas. Doch kann Merkel noch immer Wunder wirken, wenn die Union um sie herum zerbricht?

Margrethe Vestager

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

© dpa

Die dänische EU-Wettbewerbskommissarin ist bereit, es mit den Schwergewichten der Weltwirtschaft aufzunehmen. Nachdem sie sich Apple wegen angeblicher Steuervermeidung zur Brust nahm, warnte sie, sie habe auch McDonalds und Amazon im Blick. Das harte Vorgehen der Kommission gegen den US-amerikanischen Tech-Giganten gehört zu den bemerkenswertesten Entwicklungen des vergangenen Jahres. Bleibt abzuwarten, ob die Dänin auch 2017 freie Hand haben wird, um ihrer Arbeit nachzugehen.

Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© dpa

2016 war kein einfaches Jahr für den türkischen Präsidenten. So überstand er nur knapp einen versuchten Staatsstreich im Juli und hatte mit zahlreichen Terroranschlägen zu kämpfen. Die EU-Türkei-Beziehungen sind auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Der Flüchtlings-Deal zwischen Ankara und Brüssel erntet unaufhörlich Kritik, und auch Erdogan selbst drohte bereits, ihn platzen zu lassen, sollte der EU-Beitrittsprozess seines Landes unterbrochen werden. Die Türkei scheint derzeit unberechenbar. Wahrscheinlich wird Erdogan jedoch auch 2017 damit fortfahren, die Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken und scharf gegen jene vorzugehen, die seiner Meinung nach in den Coup verwickelt waren.

Mario Draghi

EZB-Präsident Mario Draghi.
EZB-Präsident Mario Draghi.

© AFP

Der Präsident der Europäischen Zentralbank hält seit der Finanzkrise sorgsam eine schützende Hand über die wirtschaftliche Erholung innerhalb der EU. Seinen Führungsstil nach dem Business-as-usual-Modell wird er wahrscheinlich auch 2017 fortsetzen. Obwohl er ganz auf sich gestellt ist, scheint der Italiener in der Lage zu sein, das stagnierende Wachstum der EU nach und nach in Gang zu bringen. Der EU könnte jedoch bald die Geduld für seinen langsamen und stetigen Ansatz ausgehen.

EurActiv.com mit Reuters. Übersetzt von Jule Zenker.

Der Tagesspiegel und das europapolitische Onlinemagazin EurActiv kooperieren miteinander.

Samuel Morgan

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