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Nach langem Ringen entschied das EU-Parlament nun doch für eine Verteuerung von CO2-Zertifikaten.

© DPA

EU-Emissionshandel: Im zweiten Anlauf für mehr Klimaschutz

Nach dem Nein im April will das Europaparlament die CO2-Zertifikate nun doch verknappen, ein entsprechender Beschluss wurde heute vom europäischen Parlament gefasst. Der Preis einer Tonne CO2 an der Börse stieg daraufhin um rund zehn Prozent an.

Um 12.58 Uhr, nur wenige Sekunden nach der Abstimmung, hat Matthias Groote am Mittwochmittag via Twitter den Erfolg vermeldet. „Ja“, schrieb der SPD-Europaabgeordnete und Umweltausschussvorsitzende aus dem Straßburger Plenarsaal, „das Backloading lebt.“

Der englische Begriff beschreibt den von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard vorgelegten Plan, mit dem der europäische Markt für CO2-Verschmutzungszertifikate künstlich verknappt werden soll. Genauer gesagt sollen die Emissionsrechte für 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid später versteigert, also zeitlich nach hinten verschoben werden – daher „Backloading“.

Trotz Preisverfall scheiterte Entwurf im ersten Anlauf im Parlament

Damit soll das vor sich hin dümpelnde Emissionshandelssystem, dem gut 11000 Industrieanlagen in der Europäischen Union unterworfen sind, wieder auf Kurs gebracht werden. Bei seiner Einführung als Anreiz gedacht, um in umweltschonende Technologien zu investieren, ist der Preis für die Tonne Kohlendioxid, im Zuge der Wirtschaftskrise und zu vieler gratis vergebener Zertifikate auf rund vier Euro abgesackt. 30 bis 40 Euro hatten Experten ursprünglich für nötig befunden, um tatsächlich einen Investitionsschub auszulösen. Dass vorübergehend weniger Emissionsrechte auf dem Markt sind, soll den Preis nach oben treiben – zusätzlich zur ohnehin geplanten Verringerung der jährlichen Ausstoßmenge, die 2013 etwas über zwei Milliarden Tonnen beträgt. Im Jahr 2020 schließlich sollen die Kohlendioxidemissionen um 21 Prozent niedriger liegen als im Referenzjahr 2005.

Bei einer ersten Abstimmung im April war das Vorhaben im Parlament knapp gescheitert. Vor allem Liberale und Konservative hatten den Vorschlag als unzulässigen Markteingriff gegeißelt. Den Unternehmen fehle die Planungssicherheit, da sie nicht wüssten, ob es zu weiteren Interventionen dieser Art kommen werde. Anschließend wurde damals beschlossen, im zuständigen Ausschuss erneut nach einem mehrheitsfähigen Beschluss zu suchen.

Zugeständnisse an energieintensive Betriebe fanden keine Mehrheit

Der ist nun gefunden – auch wenn er sich de facto kaum vom Gesetzestext unterscheidet, der im April noch abgelehnt worden war. Vor allem wird nun festgehalten, dass es sich bei dem späteren Verkauf der Verschmutzungsrechte um einen einmaligen Vorgang handeln muss. Zwei ursprünglich als Zugeständnis an energieintensive Betriebe gedachte Kompromissformeln, die der Ausschuss zuvor mehrheitlich beschlossen hatte, fanden am Mittwoch im Plenum allerdings keine Mehrheit.

So war daran gedacht worden, bereits 2016 damit zu beginnen, die zurückgehaltenen Emissionsrechte wieder in den Markt zu geben. Außerdem sollten die Einnahmen aus dieser Reserve in einen Fonds bei der Europäischen Investitionsbank fließen und Umweltinvestitionen der Industrie unterstützen. Der SPD-Abgeordnete Groote freute sich gestern, dass „mein ursprünglicher Entwurf“ im zweiten Anlauf die Mehrheit bekommen habe. Den Schwenk seiner Fraktion hin zum Ursprungsentwurf erklärte der der CDU-Abgeordnete Peter Liese damit, dass „viele beim ersten Mal nur ihre Bedenken kundtun, das Ganze aber nicht scheitern lassen wollten“. Kommissarin Hedegaard teilte mit: „Manchmal braucht der gesunde Menschenverstand länger als er sollte, am Ende setzt er sich aber meist durch“.

Die Börse reagierte auf den Beschluss mit Preisanstieg

An der Börse stieg der Preis einer Tonne CO2 nach dem Votum um rund zehn Prozent – was noch immer meilenweit von dem entfernt ist, was nötig wäre. Von „verschwendeter Zeit“ spricht daher Jan Vosswinkel vom Freiburger Centrum für europäische Politik: „Es wäre besser gewesen, dieselbe Kraft darauf zu verwenden, wie man den Emissionshandel nach 2020 reformieren kann.“ Der Parlamentsberichterstatter Groote dreht das Argument um. Zwar sieht auch er „keinen großen Wurf“, doch kaufe der Beschluss eben jene Zeit, „um strukturelle Veränderungen am Emissionshandelssystem vorzunehmen“.

Die Idee eines Fonds könne dafür eine „Blaupause“ sein“, so Groote weiter. Dass sie keine Mehrheit fand, bedauert auch der CDU-Umweltpolitiker Lise, es mache aber auch die nun folgenden Verhandlungen mit den EU-Staaten leichter – denn die Einnahmen aus dem Emissionshandel fließen bisher ausschließlich in ihre Haushalte.

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