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EU-Finanzministertreffen: Auf Schulden gebaut

Die EU-Finanzminister treffen sich am Montag wieder, um über die Eurokrise zu beraten. Die Zukunft für Portugal sieht düster aus, größtes Sorgenkind aber bleibt Griechenland.

Auf diese Komplikation hätten die europäischen Finanzminister gut verzichten können: Die Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), belastet das Treffen der obersten Kassenhüter, die an diesem Montag in Brüssel zusammenkommen. Denn auch ohne die Schlagzeilen um Strauss-Kahn haben die 17 Minister genug Probleme. Sie müssen Euroland retten – wieder einmal.

Am Montag wollen die Finanzminister ein Hilfsprogramm für das hochverschuldete Portugal beschließen. Das Land steht vor der Pleite und braucht dringend Geld – als drittes Euroland nach Griechenland und Irland. 78 Milliarden Euro soll es geben, 52 Milliarden Euro steuern die europäischen Partner bei, 26 Milliarden Euro der IWF. Im Gegenzug verpflichtet sich Portugal zu harten Sparmaßnahmen. Die Gehälter im öffentlichen Dienst werden gekürzt, die Renten ab einem gewissen Mindestbetrag abgesenkt, im öffentlichen Dienst werden Stellen gestrichen. Staatsbetriebe wie die Airline TAP sollen verkauft werden. Dennoch sieht die Zukunft für Portugal düster aus. Die Rezession hat sich zu Jahresbeginn verschärft, Grund ist die sinkende Binnennachfrage. Die wird durch das Sparprogramm jedoch noch weiter abgewürgt. Die EU-Kommission erwartet für 2011 ein Minus von 2,2 Prozent und für 2012 einen weiteren Rückgang der Wirtschaftskraft um 1,8 Prozent. Wohl zu Recht.

Wie es dabei um Irland und Griechenland steht? Irland ist von seinen maroden Banken in die Krise gezogen worden. Das deregulierte Bankensystem zog jahrelang viel Kapital an. Auch die Geschäfte der deutschen Hypo Real Estate liefen über Dublin. Als die Blase platzte, stellte die Vorgängerregierung den Banken einen Blankoscheck aus. Die Rettungsmilliarden ließen das Haushaltsdefizit 2010 auf mehr als 30 Prozent ansteigen. Die Wirtschaft schrumpfte 2009 um gut sieben Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt heute bei 14,5 Prozent. Das Land erlebt eine massive Auswanderungswelle. Im Dezember flüchtete Irland unter den Euro-Rettungsschirm. Im Gegenzug versprach das Land ein Sparprogramm und sicherte zu, die Banken zu sanieren.

Am Montagabend will die Eurogruppe auf Basis eines Expertenberichts beurteilen, ob Dublin bisher die Bedingungen für die Inanspruchnahme des Euro-Rettungsschirms erfüllt. Dies ist nach Angaben aus Diplomatenkreisen offenbar der Fall: „Die Umsetzung des Programms in Irland geht planmäßig vonstatten.“ Dies ist Voraussetzung dafür, dass die zweite Tranche der insgesamt 85 Milliarden Euro ausgezahlt wird. Verglichen mit Portugal und Griechenland steht Irland jedoch recht gut da. Die EU-Kommission erwartet für dieses Jahr ein Wachstum von 0,6 Prozent, das sich 2012 auf 1,9 Prozent mehr als verdreifachen soll.

Größtes Sorgenkind ist und bleibt Griechenland. 110 Milliarden Euro hat das Mittelmeerland bereits von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF zugesagt bekommen. Doch schon jetzt ist klar: Das Geld reicht nicht. Auf weitere 25 bis 30 Milliarden Euro wird die Finanzierungslücke für 2012 geschätzt. Eine eigenständige Finanzierung an den Kapitalmärkten ist – anders als geplant – nicht in Sicht. Für zweijährige Staatsanleihen müsste Athen derzeit 23 Prozent Zinsen anbieten. Auch die Gehalts- und Rentenkürzungen, die Regierungschef Giorgos Papandreou seinen Bürgern verordnet hat, haben die Krise nicht gelöst, sondern eher verschärft. Immer wieder gehen Bürger auf die Straße, in der vergangenen Woche kam es in Athen zu Ausschreitungen.

Die Lage ist brenzlig: Im Juni soll eine weitere Tranche von zwölf Milliarden Euro aus dem Hilfspaket ausgezahlt werden; ohne diese Geldspritze kann Athen noch nicht einmal seine dringendsten Finanzlücken stopfen. Doch die Gläubiger werden unruhig: Angeblich verlangen EU, EZB und IWF, dass Griechenland zunächst Immobilien und Staatsfirmen verkauft und Staatsbeschäftigte entlässt, bevor das Geld ausgezahlt wird.

Auch über neue, zusätzliche Hilfen für Griechenland werden die Finanzminister sprechen, beschließen werden sie jedoch nichts. Erst müssten die Experten der EU-Kommission, von EZB und IWF, die derzeit in Athen die Bücher prüfen, ihren Bericht vorlegen. Am Sonntag meldete sich jedoch bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu Wort. Falls Griechenland 2012 nicht an die Kapitalmärkte zurückkehren könne, müsse über weitere Maßnahmen gesprochen werden. Ob damit mögliche Laufzeitverlängerungen der Anleihen gemeint sind, ließ Schäuble offen. Eines stellte er aber vorsorglich klar: „Wenn Verlängerung, dann müssen alle verlängert werden“, sagte der Minister. Das hieße: Auch private Gläubiger wie Banken oder Fonds müssten Einbußen hinnehmen.

Doch warum geben EU und IWF immer wieder neues Geld? Eine Pleite von Euroländern soll um jeden Preis vermieden werden. Auch im Interesse der eigenen Wirtschaft. Die griechischen Verbindlichkeiten in Deutschland belaufen sich nach Informationen des Finanzstaatssekretärs Steffen Kampeter auf rund 30 Milliarden Euro – betroffen sind vor allem Banken und Versicherungen. Und auch Portugal, das Auslandsschulden in Höhe von 220 Milliarden Euro hat, steht in Deutschland mit 33 Milliarden Euro in der Kreide. Allianz, Munich Re, Deutsche Bank und Commerzbank hätten dort Milliardenbeträge offen, kritisierte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi am Donnerstag im Bundestag. Hinzu kommen noch die Milliarden, die Deutschland im Rahmen der internationalen Finanzhilfe trägt. Allein für das 110-Milliarden-Euro-Programm für Griechenland hat Berlin eine Bürgschaft von 22,4 Milliarden Euro übernommen.

Der Hilfen für Euroländer laufen aus, ab 2013 soll es einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm (ESM) geben. Auch darüber wollen die Finanzminister sprechen. Der Rettungsschirm soll ein Volumen von 700 Milliarden Euro für Kredite haben, Deutschland soll mit bis zu 190 Milliarden Euro haften. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kämpft dafür, dass auch private Gläubiger an den Kosten der Rettung beteiligt werden. Doch das ist auf EU-Ebene umstritten.

Die Minister beraten auch darüber, wer künftig die EZB leiten wird. Jean-Claude Trichet scheidet Ende Oktober aus, der heißeste Nachfolgekandidat ist der italienische Notenbankchef Mario Draghi. Er wird von Deutschland, Frankreich und Italien unterstützt. Endgültig entscheiden werden aber erst die EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni.

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