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Die EU-Institutionen erscheinen unfähig, obwohl sie oft gar nicht zuständig sind.

© dpa/JULIEN WARNAND

EU-Finanzpolitik und Banken: Brüssel rettet Milliarden für die Steuerzahler

Nach dem Crash 2008 wurden über eine Billion Euro in die Bankenrettung gesteckt. Heute dagegen verfängt die Propaganda für die Rettung auf Kosten aller nicht mehr. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Wofür brauchen wir die Europäische Union? Angesichts von Europas Versagen in der Flüchtlingskrise oder beim Kampf gegen die Steuerflucht scheint diese Frage nur zu berechtigt. Allzu oft sabotieren die nationalen Regierungen im engstirnigen Eigeninteresse jede gemeinsame, wirklich europäische Lösung.

Ein ums andere Mal erscheinen die EU-Kommission und mit ihr das Europäische Parlament dann als schwach und unfähig, obwohl sie gar nicht verantwortlich sind. Die Rechtspopulisten stricken aus diesem Widerspruch ihr Versprechen, ohne die EU ginge alles besser.

Doch zuweilen ist genau das Gegenteil richtig. Wenn die Kommission tatsächlich operiert wie eine Regierung und die EU-Parlamentarier die Kommissare hart kontrollieren, dann können die EU-Institutionen leisten, was keine nationale Regierung zu bieten hat: Entscheidungen im Interesse aller EU-Bürger.

Ein Musterfall dafür ist der Umgang mit maroden Banken. Was geschieht, wenn das nicht EU-weit geregelt ist, erlebten die Europäer nach dem Crash 2008. Aus Angst vor einer Bankenpanik überboten sich die Regierungen unkontrolliert mit Garantien und Kapitalhilfen für überschuldete Geldhäuser. Mit mehr als einer Billion Euro wurden alle Gläubiger von der Haftung für ihre Fehlinvestitionen freigekauft.

Italienisches PR-Feuerwerk

Das wäre heute illegal. Auf Vorschlag der Kommission hat EU-Europa gesetzlich festgelegt, dass für die Sanierung insolventer Finanzinstitute genau wie bei Unternehmen der übrigen Wirtschaft zuerst deren Eigentümer und Gläubiger haften müssen, und erst dann der Staat einspringt, wenn das System gefährdet ist. Die Kontrolle dieser Regel obliegt allein der Abteilung Wettbewerb der EU-Kommission und deren Chefin Margarethe Vestager, ganz gleich, was die betroffenen Regierungen wollen. Rechenschaft schulden die Kommissarin und ihre Beamten allein dem EU- Parlament.

Diese Macht aus Brüssel ist für die EU-Bürger Milliarden wert. Das erfahren dieser Tage die Steuerzahler Italiens. Dort haben die Banken die gigantische Summe von 360 Milliarden Euro an faulen Krediten angehäuft. Als jüngst offenbar wurde, dass Italiens drittgrößte Bank, die Banca Monte dei Paschi aus Siena, ohne zusätzliches Kapital alsbald insolvent würde, veranstaltete die Regierung des Sozialdemokraten Matteo Renzi gemeinsam mit führenden europäischen Bankern ein PR-Feuerwerk, um doch wieder eine Rettung auf Kosten aller durchzusetzen.

Da behauptete dann der Chefökonom des französischen Geldriesen Société Générale (SG), die Regeln würden „die Krise befördern“ und Banken „in ganz Europa“ gefährden. Sein Kollege von der Deutschen Bank forderte gleich einen EU-weiten Rettungsfonds mit 150 Milliarden Euro. Renzis Finanzminister wollte von Brüssel eine Ausnahmegenehmigung und alle gemeinsam sangen wieder das hohe Lied der kleinen Sparer, deren Geld in Gefahr sei, weil sie leider, leider Bankanleihen gekauft hätten.

Eine Lösung mit Tücken

Doch dieses Mal verfing die Propaganda nicht. Allzu offensichtlich ging es nur darum, Banken wie SG und Deutsche sowie reiche Familien des Landes vor Verlusten zu bewahren, zumal Italiens Regierung Kleinanleger im Ernstfall mit bis zu 100.000 Euro pro Fall ganz legal hätte entschädigen können. So blieben Vestager und die EZB-Bankenaufseher hart.

Und siehe da, am vergangenen Freitag dann, kurz vor Veröffentlichung der für die Banca Monte dei Paschi di Siena verheerenden Ergebnisse des jüngsten Banken-Stresstests, gab es auf einmal eine „private“ Lösung für die toskanische Traditionsbank. Nun plötzlich will ein Konsortium von sechs internationalen Finanzkonzernen, darunter auch die Deutsche Bank, fünf Milliarden Euro in deren Rettung investieren.

Gleichzeitig soll ein privat geführter Fonds knapp die Hälfte der rund 50 Milliarden Euro schweren faulen Kredite kaufen, um das Geld über den Verkauf der Sicherheiten, überwiegend Immobilien, langfristig wieder reinzuholen. Über ihr Motiv gaben die privaten Retter keine Auskunft.

Aber die Vermutung liegt nahe, dass Europas Banker lieber investieren, anstatt einen für sie teuren Präzedenzfall zu riskieren. Zwar birgt auch diese Lösung ihre Tücken. Am Fonds beteiligt sind auch eine Bank und ein Pensionsfonds in Staatshand, zudem gibt es staatliche Garantien. Aber solange die Privaten das gleiche Risiko tragen, ist das legal. Nur müsse das eben „genau kontrolliert werden“, verspricht der kundige grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold. Eine Bankenrettung durch die Hintertür gelte es zu verhindern. Dafür zum Beispiel brauchen wir die EU.

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