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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat gegenwärtig den EU-Ratsvorsitz inne.

© Christof Stache/AFP

EU-Gipfel: Die fragwürdige Ankündigung des Sebastian Kurz

Österreichs Bundeskanzler Kurz will, dass Ägypten Flüchtlinge zurücknimmt. Doch den Menschen einfache Lösungen vorzugaukeln, ist gefährlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Informelle EU-Gipfel sind für Europas Staatenlenker gewissermaßen das, was Teambuilding-Tage für normale Arbeitnehmer sind. Nun haben die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Salzburg zwar keine gemeinsame Klettertour unternommen, aber sie haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Entscheidungsdruck das europäische Betriebsklima zu verbessern. Dieser Versuch unter Anleitung des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz ist allerdings ziemlich schiefgegangen.
Seit Jahren müht sich die EU ergebnislos an der Erneuerung des europäischen Asylsystems ab. Auch wenn die Flüchtlingszahlen seit 2015 insgesamt gesunken sind, wird immer noch eine Neuregelung verzweifelt gesucht, damit Ankunftsstaaten wie Italien, Spanien und Griechenland entlastet werden und eine faire Verteilung der Flüchtlinge in der gesamten EU ermöglicht werden kann.

Österreichs Regierungschef hat erkannt, dass ein derart komplexer Sachverhalt wie die europäische Flüchtlingspolitik – ganz im Sinne der Teambuilding-Logik – am besten in Einzelthemen aufzuteilen ist. Der ÖVP-Politiker Kurz, der seit dem Ende des vergangenen Jahres mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, macht allerdings den Fehler, sich nur auf einen Punkt in der Migrationspolitik zu konzentrieren: die verstärkte Absicherung der EU-Außengrenzen.

Migration als kleinster gemeinsamer Nenner der EU

Österreichs Regierungschef mag sich gedacht haben, dass der EU-Außengrenzenschutz den kleinsten gemeinsamen Nenner unter den zerstrittenen Mitgliedstaaten darstellt und daher als vertrauensbildende Maßnahme taugt. Er liegt damit insofern nicht falsch, als die EU in den vergangenen Jahren schon einen Schwenk in der Flüchtlingspolitik vollzogen hat. Zu dieser Wende hatte seinerzeit auch Kurz als Außenminister bei der Schließung der Balkanroute im Frühjahr 2016 beigetragen.

Seit über zwei zwei Jahren ist der Schutz der EU-Außengrenzenschutz für die Europäer zum Mantra geworden. Das jüngste Beispiel lieferte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit seinem Vorschlag, die Zahl der Mitarbeiter der EU-Grenzschutzagentur von derzeit 1500 bis 2020 auf 10.000 zu erhöhen.

Kurz kündigt vollmundig eine mögliche Vereinbarung mit Ägypten an

So richtig es ist, eine ungehinderte Migration über das Mittelmeer zu verhindern, so gefährlich ist es, der Bevölkerung dabei einfache Lösungen vorzugaukeln. Kurz’ vollmundiger Hinweis auf eine mögliche Vereinbarung mit Ägypten zur Rückführung von Bootsflüchtlingen gehörte in Salzburg zur Gipfel-Inszenierung. Derlei Ankündigungspolitik ändert aber nichts daran, dass die EU in der Flüchtlingspolitik von einer tragfähigen Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten weit entfernt ist. Der Plan, Auffanglager für aus Seenot gerettete Flüchtlinge in Ländern wie Marokko oder Tunesien einzurichten, wird so lange nur auf dem Papier stehen, wie die EU im Gegenzug keine wirtschaftlichen Anreize gibt.

Die Frage der Verteilung bleibt auf der Agenda

Deshalb werden sich die Europäer auf bis auf Weiteres mit der Frage beschäftigen müssen, was denn mit denjenigen Flüchtlingen geschehen soll, die auf dem Boden der EU an Land gehen. An der alten Frontstellung hat das Salzburger Treffen nichts geändert: Einige osteuropäische Staaten – in erster Linie Ungarn – sperren sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Allerdings zeigte der Gipfel vor allem eines: Es ist kaum zu erwarten, dass die EU demnächst ihre Bürger mit Fortschritten bei der Reform des europäischen Asylsystems überrascht. Dabei wäre dies vor der Europawahl im kommenden Jahr dringend nötig.

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