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Politik: EU-Gipfel scheitert an Finanzen

Nach dem Stopp für die Verfassung lähmt jetzt auch der Streit über den Haushalt Europa

Die Verhandlungen über die künftige Finanzierung der Europäischen Union sind am späten Freitagabend gescheitert. Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Finnland und Spanien lehnten laut Diplomaten auf dem EU-Gipfel in Brüssel einen Kompromissvorschlag des EU-Ratspräsidenten Jean-Claude Juncker ab. Auch ein dramatischer Appell der zehn neuen EU-Mitgliedsländer in letzter Minute konnte daran nichts ändern. Im Streit um den Haushalt von 2007 bis 2013 kamen vor allem der britische Premier Tony Blair und Frankreichs Präsident Jacques Chirac auf keinen gemeinsamen Nenner. Blair zeigte sich grundsätzlich bereit, über den so genannten Briten-Rabatt zu verhandeln, dem Königreich seit 1984 geringere Zahlungen in die EU-Kasse sichert. Er forderte aber gleichzeitig eine grundlegende Reform des EU-Haushaltes.

Derzeit umfasst die Agrarpolitik einen Anteil von rund 40 Prozent am EU-Budget. Während diese Aufteilung vor allem aus britischer Sicht den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mehr gerecht wird, sieht Paris in der EU-Landwirtschaftspolitik auch weiter ein wichtiges Instrument auf dem Weltmarkt. Vor allem Frankreichs Landwirte profitieren von den EU-Agrarsubventionen.

Gipfelpräsident Juncker hatte bis zum Abend in bilateralen Gesprächen die Möglichkeiten für einen Kompromiss ausgelotet. Blair schlug nach Angaben aus EU-Kommissionskreisen das Angebot Junckers aus, den Briten-Rabatt bei 5,5 Milliarden Euro pro Jahr einzufrieren. Gegenwärtig bringt der Rabatt den Briten eine jährliche Beitragssenkung um 4,6 Milliarden Euro. Dieser Beitrag würde ohne eine Begrenzung bis 2013 auf fast das Doppelte steigen.Wie aus Delegationskreisen weiter verlautete, rief Juncker nach dem gescheiterten Vermittlungsversuch Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder zu dem Gespräch mit Blair hinzu. Schröder sagte, die Finanzierung des EU-Budgets könne „keine Veranstaltung sein, die nur zu Lasten des einen oder des anderen geht“. Für den Fall einer Einigung im Finanzstreit hätte die Bundesregierung zwischen 2007 und 2013 mit Einsparungen für Deutschland in der Höhe von zehn Milliarden Euro rechnen können. Ein Vorschlag der luxemburgischen EU-Präsidentschaft hatte vorgesehen, Deutschland bei den Abgaben der Mehrwertsteueranteile zu entlasten und die Regionalförderung in Ostdeutschland aufzustocken.Zuvor hatte sich der Gipfel immerhin auf eine Denkpause bei der Ratifizierung der EU-Verfassung geeinigt, die bei den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden abgelehnt worden war. Dänemark, Schweden, Finnland, Tschechien und Portugal kündigten an, geplante Referenden zu verschieben. Offen ist auch, ob das am 10. Juli in Luxemburg geplante Referendum stattfindet.

Mit den gescheiterten Finanzverhandlungen und der Verschiebung mehrerer Abstimmungen über die EU-Verfassung droht der EU gleich eine doppelte Hängepartie. Erst im Juni 2006 wollen die Staats- und Regierungschefs wieder eine Bilanz zum Stand der Diskussion über die Verfassung ziehen.

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