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EU-Gipfel: Streit um Klimaschutzkosten

In der Debatte um den Klimaschutz gibt es in der EU weiter keine Einigkeit. Bundeskanzlerin Merkel setzt sich bei dem EU-Gipfel für verbindliche Klimaschutzziele ein und wird von Kommissionspräsident Barroso gestärkt.

Brüssel - Streit um die Kosten des Klimaschutzes hat den Beginn des EU-Gipfels in Brüssel überschattet. Die Bundeskanzlerin und EU-Vorsitzende Angela Merkel (CDU) verteidigte am Donnerstag kurz vor dem Auftakt des zweitägigen Treffens ihr Ziel, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bis 2020 um ein Fünftel zu senken und dafür den Anteil erneuerbarer Energien massiv auszubauen. "Keiner bestreitet, dass es zusätzliche Kosten gibt", entgegnete Merkel auf Warnungen der europäischen Arbeitgeber, der Klimaschutz bedrohe Jobs. "Die Frage ist, wo entstehen mehr Kosten", sagte sie mit Verweis auf mögliche Klimakatastrophen. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, beim EU-Gipfel verbindliche Klimaschutzziele zu vereinbaren. "Wir haben wichtige Ziele vorgeschlagen und ich hoffe, dass sie verwirklicht werden", sagte Barroso.

Deutschland will einen Anteil der erneuerbaren Energien am EU-Energiemix von 20 Prozent bis 2020 festschreiben. Osteuropäische Länder und Frankreich wehren sich gegen diese Pläne, da sie auf Atomstrom und billige Kohle setzen. Auch der Vorsitzende des europäischen Industrieverbands Business Europe, Ernest-Antoine Seillière, kritisierte zwingende Vorgaben beim Klimaschutz. "Wir halten das wirklich für verrückt." Die Pläne der Kanzlerin bedrohten die Schaffung neuer Arbeitsplätze, sagte Seillière. Nach seinen Angaben könnten ohne zusätzliche Klimaschutzauflagen im Zeitraum 2006 bis 2009 mehr als 8,5 Millionen neue Jobs geschaffen werden.

USA, China und Indien müssen mitziehen

Merkel räumte ein, "dass Arbeitsplätze in Gefahr geraten können, wenn es international zu wenig gemeinsame Aktivitäten gibt". Dies gilt für den Fall, dass andere Staaten wie die USA, China und Indien nicht mitziehen. Ein von Umweltschützern gefordertes Ziel zu einem europaweiten CO2-Abbau von 30 Prozent bis 2020 will Merkel deshalb nur dann anpeilen, wenn auch diese Staaten mitziehen. Aber es gebe auch die Chance, dass neue Arbeitsplätze entstünden, sagte Merkel. Als Beispiel für einen solchen Jobmotor nannte sie die deutsche Windkraft. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums könnte sich die Zahl der Arbeitsplätze durch Öko-Energien bis 2020 von derzeit 170.000 auf 300.000 fast verdoppeln.

"Wenn es um die billigste Variante geht im Blick auf die nächsten zwei Jahre, dann dürfte man mit erneuerbaren Energie nicht anfangen", unterstrich Merkel. "Wenn man aber über 20, 25, 30 oder 50 Jahre denkt, dann muss man es tun." Von dieser Haltung wolle sie auf dem Gipfeltreffen Kritiker wie Polen überzeugen. Auch für die Bundesrepublik sei der Ausbau von Öko-Energieträgern wie Sonne, Wind und Biomasse nicht zum Nulltarif zu haben, sagte Merkel. "Unser einziger kostendeckender Rohstoff in Deutschland ist die Braunkohle." Sie erzeuge aber bekanntermaßen extrem viel CO2 und sei damit klimaschädlich.

EU plant ehrgeizigsten Aktionsplan ihrer Geschichte

Rückendeckung bei ihren Plänen erhielt Merkel von der EU-Kommission sowie Staaten wie Österreich und Luxemburg. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, es gehe um einen Dreiklang aus Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz. Deshalb wolle die Europäische Union auf dem Gipfel den bisher ehrgeizigsten Aktionsplan ihrer Geschichte verabschieden.

Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wies den Vorschlag Frankreichs zurück, zur Rettung des Klimas eine Doppelstrategie aus erneuerbaren Energien und "kohlenstoffarmen" Energieträgern - also Kernkraft - zu verfolgen. "Ich halte es für falsch, auf europäischer Ebene ein Signal zu geben, dass Europa unter grüner Energie in Zukunft auch die Kernenergie versteht." Österreich hatte wie Deutschland zuletzt stark in alternative Energien investiert.

Greenpeace nannte die Klima-Pläne Merkels eine Mogelpackung. Die ehemaligen Ostblock-Staaten hätten durch den Zusammenbruch ihrer Schwerindustrie bereits massive Einsparungen an Kohlendioxid in die EU eingebracht, argumentierte die Umweltorganisation in Hamburg. Die EU werde dadurch 2012 automatisch bei einer CO2-Einsparung von 15 Prozent im Vergleich zu 1990 liegen. Sie müsse nun nur noch fünf Prozent einsparen, um bis 2020 ihr 20-Prozent-Ziel zu erreichen. "Eine 'Vorreiterrolle' - wie Merkel sie fordert - sieht anders aus", sagte ein Greenpeace-Sprecher. (tso/AFP/dpa)

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