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Politik: EU-Gipfel: Zügige Eroberung

Was vor wenigen Monaten noch als Sensation, als "historischer Schritt" und "Durchbruch zu neuen Ufern" Schlagzeilen gemacht hätte, blieb am Freitag im Trubel des EU-Gipfels von Nizza, im Lärm der Auseinandersetzung um die EU-Reform, um Stimmen im Ministerrat und Sitze in der Brüsseler Kommion fast unbeachtet: Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) ist nun auch formell beschlossene Sache. Die 15 Staats- und Regierungschefs billigten in Nizza ohne große Debatte, was die Außen- und Verteidigungsminister in den vergangenen Wochen schon vorbereitet hatten.

Was vor wenigen Monaten noch als Sensation, als "historischer Schritt" und "Durchbruch zu neuen Ufern" Schlagzeilen gemacht hätte, blieb am Freitag im Trubel des EU-Gipfels von Nizza, im Lärm der Auseinandersetzung um die EU-Reform, um Stimmen im Ministerrat und Sitze in der Brüsseler Kommion fast unbeachtet: Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) ist nun auch formell beschlossene Sache. Die 15 Staats- und Regierungschefs billigten in Nizza ohne große Debatte, was die Außen- und Verteidigungsminister in den vergangenen Wochen schon vorbereitet hatten. Energisch und unerwartet zügig eroberten sie ein Terrain, das bisher für die EU geradezu tabu war.

In der sensationell kurzen Zeit von eineinhalb Jahren - seit der Initiative auf dem EU-Gipfel von Köln - brachten die 15 die europäische Zusammenarbeit in einem völlig neuen Bereich auf den Weg - "ein ungewöhnliches Beispiel politischen Lernens", lobte vor kurzem Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping. Tatsächlich wurde die Dynamik auf dem Weg zur ESVP durch die peinlichen Erfahrungen im Kosovo-Konflikt angetrieben, als die Europäer wieder einmal feststellen mussten, wie sehr sie bei der Konfliktbewältigung politisch und militärisch von den USA abhängig sind.

Die Beschlüsse von Nizza schaffen nun die sicherheitspolitischen Grundlagen, die es der EU spätestens 2003 erlauben werden, mit oder ohne Rückgriff auf die Nato-Einrichtungen - und damit die USA - eine begrenzte Krise vor ihrer Haustür mit eigener Kraft zu bewältigen. Die EU soll spätestens in zwei Jahren in der Lage sein, innerhalb von 60 Tagen Streitkräfte in Korpsgröße (60 000 Mann) zusammenzustellen und im Umkreis von 4000 Kilometern an den Einsatzort zu verlegen. Mindestens ein Jahr sollen die EU-Truppen dort aushalten können; sie müssten ein- bis zweimal abgelöst werden.

Das politische und militärische Nervenzentrum der Europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik wird seit Monaten schon in Brüssel eingerichtet. Bisher galt der "Politische und Sicherheitspolitische Ausschuss", in dem die Vertreter der Mitgliedsländer sitzen, der EU-Militärausschuss der Generalstabschefs, der den EU-Ministerrat beraten soll, und der EU-Militärstab als "provisorisch". In Nizza ist diese Entscheidungsstruktur für die EU-Verteidigungspolitik nun bestätigt und damit auch formell beschlossen worden. Der deutsche General Schuwirth ist Chef des Militärstabs.

Deutschland wird 20 Prozent der EU-Streitkräfte stellen, insgesamt rund 18 000 Mann. 12 000 Mann werden Kampftgruppen sein: Ein Fallschirmjäger-, ein Panzer- und zwei Infanteriebataillone. 6000 Mann von Heer, Luftwaffe und Marine werden zur Unterstützung und Versorgung über große Distanzen benötigt. Neben Sanitäts-, Versorgungs- und Pioniereinheiten des Heeres stellt die Luftwaffe 30 "Transall"-Transportmaschinen, einen Airbus und 13 "Tornados".

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