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Kanzlerin Angela Merkel setzt sich in Brüssel für eine Kürzung des EU-Budgets ein.

© rtr

EU-Haushalt: Geben und Nehmen

Bei der Finanzplanung gibt es mehrere Lager unter den 27 Staaten der Europäischen Union.

Fast eineinhalb Jahre lang haben Beamte und die Staatssekretäre aus den 27 Hauptstädten der EU-Staaten den Boden für die nächste Haushaltsperiode der Europäischen Union bereitet. Das Entscheidende beim Haushaltsrahmen, der die Jahre von 2014 bis 2020 umfasst, fehlt aber noch: Die endgültigen Zahlen müssen von den Staats- und Regierungschefs hineingeschrieben werden. Das soll auf dem EU-Gipfel geschehen, der sich bis zum Wochenende hinziehen könnte. Zumindest hat die Delegation von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis Sonntag die Hotelzimmer in Brüssel reservieren lassen. Ein Überblick über die Verhandlungspositionen:

Vorschlag der EU-Kommission: Der Brüsseler Vorschlag liegt seit Juni 2011 auf dem Tisch: 1083 Milliarden Euro sollten die EU-Staaten nach den Vorstellungen der Brüsseler Behörde über sieben Jahre für Europa aufbringen – also mehr als eine Billion Euro oder umgerechnet 1,11 Prozent der Wirtschaftsleistung in dieser Zeit. Während die Beträge für die Agrar- und die Strukturpolitik eingefroren würden, sollen die Summen für Forschung, Verkehr und Energie deutlich steigen. Nicht nur Kommissionschef José Manuel Barroso sieht im EU-Etat ein Konjunkturprogramm, da bis auf die Agrarbeihilfe die meisten Projekte kofinanziert werden müssen und damit höhere Investitionssummen nach sich ziehen. Herzstück des Vorschlags ist ein neuer, mit 50 Milliarden Euro gefüllter Infrastrukturtopf, der die europäischen Netze im Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationssektor noch stärker miteinander verbinden soll.

Die „Freunde der Kohäsion“: So nennt sich eine Gruppe von Staaten, die den Vorschlag der Kommission unterstützen. Ihren Namen verdankt die Staatengruppe den sogenannten Kohäsions- oder Strukturfonds der EU, die besonders strukturschwachen Regionen Europas zugute kommen. Die 14 EU-Staaten Bulgarien, Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern setzen darauf, dass die EU ihre wirtschaftliche Aufholjagd auch weiterhin unterstützt. Diese Länder haben sich bereits zwei Mal auf Ebene der Staats- und Regierungschefs getroffen – zuletzt Anfang Oktober in Bratislava. In einer Erklärung, der sich auch das künftige EU-Mitglied Kroatien anschloss, wurde gefordert, dass die Summe von 336 Milliarden Euro unverhandelbar sei. Das ist jener Betrag, den die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für die Kohäsionspolitik vorgesehen hat. Die Summe von 336 Milliarden Euro liegt unter den derzeitigen Ausgaben für die Kohäsionspolitik.

Die „Freunde einer verbesserten Ausgabenpolitik“: Die Gruppe dieser Staaten ist zwar deutlich kleiner als der Kreis der „Kohäsionsfreunde“. Dafür ist der Länderblock, der sich als „Friends of better spending“ („Freunde einer verbesserten Ausgabenpolitik“) bezeichnet, wirtschaftlich umso stärker. Sieben Länder aus dem Kreis der Nettozahler wollen erreichen, dass die EU ihr Geld sinnvoller einsetzt – auch wenn der Kommissionsvorschlag solche verschärften Regeln zur besseren Ausgabenkontrolle bereits teilweise beinhaltet. Im Umkehrschluss, so die Argumentation, müsste dann auch weniger nach Brüssel überwiesen werden. Deutschland, Österreich, Tschechien, Finnland, Schweden und die Niederlande sowie Großbritannien rufen nach einem „substanziell niedrigeren“ Beitrag.

Frankreich und Italien: Paris und Rom haben inzwischen die Gruppe der „Freunde der verbesserten Ausgabenpolitik“ verlassen. Die Regierung des französischen Präsidenten François Hollande setzt sich zwischen alle Stühle, weil sie einen „ehrgeizigen wie verantwortlichen“ Haushaltsrahmen fordert. Paris wehrt sich auch bei diesen Haushaltsverhandlungen dagegen, dass die Landwirtschaftssubventionen substanziell gekürzt werden.

Sonderfall Großbritannien: London gehört zwar zu den „Freunden der verbesserten Ausgabenpolitik“, nimmt aber dennoch wegen der radikalen Kürzungsforderungen im britischen Unterhaus eine Sonderstellung ein. Die politische Stimmung in Großbritannien hat sich inzwischen so gegen die EU aufgeschaukelt, dass London der Europäischen Union deutlich weniger Geld zur Verfügung stellen will. Die Obergrenze für das Haushaltsvolumen, die Premierminister David Cameron anpeilt, liegt nach einem Bericht der Zeitung „Financial Times“ bei 940 Milliarden Euro.

Das Europaparlament: Zum ersten Mal hat das Europaparlament beim mehrjährigen Finanzrahmen wirklich etwas zu sagen. Mit dem Inkrafttreten des EU-Vertrages von Lissabon können die Mitgliedstaaten dem neuen Sieben-Jahres-Plan erst dann einstimmig ihren Segen erteilen, wenn das Europaparlament zuvor zugestimmt hat. Ginge es nach dem Willen des Europaparlaments, dann würde der EU-Haushalt noch etwas üppiger ausfallen, als es der Vorschlag der EU-Kommission vorsieht. Andererseits hat das Europaparlament auch schon Verhandlungsbereitschaft angedeutet – wenn es im Gegenzug zu Reformen bei der Struktur des EU-Haushalts kommt. Sprich: Das EU-Parlament könnte zustimmen, wenn etwa der umstrittene Briten-Rabatt beerdigt würde. Christopher Ziedler

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