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EU: Klima-Poker vorm Gipfel

Die EU-Staaten bleiben bei ihren finanziellen Zusagen vage – um ihre Verhandlungsposition zu stärken.

Wenige Wochen vor dem Klimagipfel in Kopenhagen weigern sich die Europäer, ihre Karten bei den Verhandlungen auf den Tisch zu legen. Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel bekannten sich die 27 Staats- und Regierungschefs zwar wieder einmal zu ihren längst beschlossenen Klimazielen, vermieden es aber, den Entwicklungsländern konkrete und bezifferbare Unterstützung für deren Klimaschutz anzubieten. Internationale Umweltschutzorganisationen sind aber der Meinung, dass konkrete Hilfszusagen für die Entwicklungsländer die notwendige Voraussetzung für einen Erfolg der Klimaverhandlungen in Kopenhagen sein werden. Ungelöst ist auch nach wie vor, wie die Lasten des Klimaschutzes in Zukunft unter den EU-Mitgliedern verteilt werden sollen.

Europa trete in der Klimapolitik auf der Stelle, kommentieren Umweltschützer enttäuscht das Ergebnis des Brüsseler EU-Gipfeltreffens. „Die haben aufgegeben“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, am Freitag. Mit ihrer pessimistischen Prognose für das Treffen in Kopenhagen im Dezember ist die Grüne nicht allein: Der Vorsitzende der deutschen Unions-Parlamentarier im EU-Parlament, Werner Langen, warnte: „Kopenhagen wird kein gutes Ergebnis bringen.“

Kanzlerin Angela Merkel wehrte sich beim EU-Gipfel gegen die Kritiker, die Europas Klimapolitik kleinreden. Die EU sei im Unterschied zu allen anderen – USA, Japan, China, Indien, Brasilien – konkrete Verpflichtungen eingegangen, sagte sie. Mit ihrem Beschluss, bis 2020 die Kohlendioxid-Emissionen um 20 Prozent zu senken, die Energieeffizienz um 20 Prozent zu verbessern und den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu steigern, habe die EU ein Beispiel gesetzt. Nach wie vor sei die Gemeinschaft bereit, im Klimaschutz weltweit die Führungsrolle zu spielen, bekräftigten die EU-Regierungschefs. Beim Gipfel habe niemand die EU-Klimaverpflichtungen in Frage gestellt, hieß es. Es sei lediglich um die Taktik für die Kopenhagener UN-Klimakonferenz gegangen: Ist es klug, schon jetzt mit einer Vorleistung das Pulver zu verschießen? Oder ist es taktisch klüger, erst nach und nach die konkreten Angebote auf den Tisch zu legen und daran zu binden, dass die USA und die dynamischen Schwellenländer mitziehen?

„Wer beim Poker als Erster sein Blatt auf den Tisch legt, hat noch kein Spiel gewonnen“, heißt es in Berlin. Offenbar fürchtet man in Berlin, dass die EU sich zu Vorleistungen verpflichten könnte, ohne dass die anderen Industrie- und Schwellenstaaten im Gegenzug ähnliche Verpflichtungen eingehen. Schließlich geht es hier um viel Geld: Wenn das weltweite Klimaziel erreicht werden soll – den drohenden Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen – und wenn die schon eingetretenen Folgen des Klimawandels in Afrika, Asien und Lateinamerika bewältigt werden sollen, dann benötigen die Entwicklungsländer von 2020 an 100 Milliarden Euro jährlich. Diese immense Summe kann von den armen Ländern nicht alleine aufgebracht werden. Ein weltweit organisierter Emissionshandel könnte einen Teil der Finanzmittel erschließen. 22 bis 50 Milliarden Euro, so wird geschätzt, müsste aber die internationale Staatenwelt als Finanzhilfe aufbringen. Von der EU wird erwartet, dass sie sich mit 15 Milliarden daran beteiligt.

Dass die Europäische Union einen erheblichen Beitrag zur KIimahilfe in der Dritten Welt leisten wird, ist unumstritten. Heftige Auseinandersetzungen entbrannten beim Gipfel am Freitag jedoch über die Frage, wie diese zusätzlichen finanziellen Belastungen unter den EU-Mitgliedern aufgeteilt werden sollen. Bis zuletzt kämpften die neuen europäischen Mitgliedstaaten unter der Führung von Polen um eine weitgehende Befreiung von der Klimahilfe. Es sei „völlig inakzeptabel“, so wetterte der polnische Finanzminister Jan Rostowski schon vor Tagen, „dass arme Länder in Europa den reichen Ländern in Europa helfen sollen, arme Staaten anderswo auf der Welt zu unterstützen“.

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