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EU-Kommission: Union und Arbeitgeber kritisieren EU-Sozialpaket

Mehr Schutz vor Diskriminierung, bessere Gesundheitsversorgung im Ausland und mehr Rechte für Betriebsräte: Die EU-Kommission hat ihr umstrittenes Sozialpaket vorgestellt und erntet dafür wie schon für die Erstauflage der Anti-Diskriminierungs-Bestimmungen deutliche Kritik.

Das Sozialpaket der Europäischen Kommission, das am Mittwoch vorgestellt wurde, enthält umfangreiche Regelungen in den Bereichen Arbeitnehmerschutz, Anti-Diskriminierung und medizinische Versorgung. Auf Widerstand stößt in Deutschland besonders die geplante Ausweitung der Antidiskriminierungs-Regeln. CDU/CSU und Wirtschaft warnen vor mehr Bürokratie und höheren Kosten. Für die Union ist die neue EU-Richtlinie "überflüssig wie ein Kropf" und ein "Irrsinn", erklärte der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte zuvor in Brüssel "allergrößte Sorgen" über die neuen Vorgaben geäußert.

Die Richtlinie ergänzt ältere EU-Regeln aus dem Jahr 2000, die bis zu ihrer Umsetzung in Deutschland 2006 für erbitterten Streit in der großen Koalition sorgten. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) gaben die deutschen Unternehmen alleine 1,73 Milliarden Euro für die Schulung ihrer Mitarbeiter nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aus.

Vorschlag auf Druck der Deutschen bereits entschärft

Nach dem Vorschlag von Sozialkommissar Spidla sollen Behinderte, ältere Menschen, Homosexuelle und Andersgläubige einen gleichberechtigten Zugang zu allen Geschäften und Dienstleistungen erhalten. Allerdings muss das Diskriminierungsverbot für Unternehmer "verhältnismäßig" sein. Damit müsste etwa ein Geschäft oder ein Restaurant mit Stufen am Eingang nicht zwangsläufig eine Rollstuhlrampe einbauen, wenn sich der Kosten-Nutzen-Aufwand nicht lohnt.

Die Kommission hat den Vorschlag auf deutschen Druck bereits entschärft. So können Versicherungen und Banken auch künftig für ihre Produkte mehr Geld von älteren Menschen oder Behinderten verlangen. Sie müssen dafür allerdings ein genaues Risikoprofil erstellen. Die SPD-Sozialexpertin im Europaparlament, Karin Jöns, sprach von einer "stark von Einschränkungen und Ausnahmen durchlöcherten Richtlinie".

Ministerrat und Parlament müssen noch zustimmen

Zweiter Kernteil des Sozialpakets sind Regeln, die Patienten Behandlungen im EU-Ausland erleichtern sollen. Deutsche Kassen übernehmen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bereits seit 2004 die Kosten für ambulante Behandlungen im EU-Ausland gemäß dem deutschen Leistungskatalog. Künftig soll dies nach Vorstellung der Kommission grundsätzlich auch für Krankenhausaufenthalte gelten, etwa bei einer Krebstherapie oder einer Hüftoperation. Die Zusatzkosten für die höhere Patienenmobilität schätzt die Kommission auf 30 Millionen Euro für alle 27 EU-Staaten. "Das sind Peanuts", sagte ein hochrangier Kommissionsbeamter.

Teil des Pakets ist auch ein Gesetzesvorschlag, mit dem europäische Betriebsräte mehr Rechte erhalten sollen. Diese Form der Arbeitnehmervertretung gibt es seit 1994 für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und Niederlassungen in mindestens zwei EU-Staaten. Damit sollen Konflikte wie zuletzt bei Nokia Bochum entschärft werden: Nach der angekündigten Schließung des Werks mit mehr als 2300 Beschäftigten warfen Betriebsrat und Gewerkschaften dem finnischen Handybauer eine mangelhafte Informationspolitik vor.

Die Mitgliedstaaten und das Europaparlament müssen den Plänen noch zustimmen. (nim/AFP)

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