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Politik: EU-Landwirtschaftspolitik: Die Wende hat längst begonnen

Frankreich will die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union reformieren - aber nicht vor dem Jahr 2003. Dies sagte der französische Landwirtschaftsminister Jean Glavany vor einem Treffen mit seiner Berliner Amtskollegin Renate Künast und Außenminister Joschka Fischer in Paris.

Frankreich will die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union reformieren - aber nicht vor dem Jahr 2003. Dies sagte der französische Landwirtschaftsminister Jean Glavany vor einem Treffen mit seiner Berliner Amtskollegin Renate Künast und Außenminister Joschka Fischer in Paris. "Frau Künast hat einen starken Reformwillen", so Glavany. "Sie wird mir sagen, dass sie keine zusätzlichen Ausgaben für die Agrarpolitik will. Das trifft sich gut, denn ich will auch keine neuen Ausgaben."

Frankreich wolle lediglich den in der Europäischen Agrarreform Agenda 2000 in Berlin festgeschriebenen Finanzrahmen für die Gemeinsame Agrarpolitik einhalten, heißt es bisher noch in Paris. "Die Spielregeln wurden bis zum Jahr 2006 festgelegt", stellt Glavany klar. "Ein einziges Land genügt, um eine Änderung der Spielregeln zu verhindern." Eine Reform könne deshalb frühestens 2003 eingeleitet werden, wenn die Agenda 2000 turnusgemäß ohnehin überprüft werden soll.

Trotz dieser Hinhaltetaktik läßt man in Paris den Vorwurf mangelnden Reformeifers nicht gelten. Bereits beim Berliner EU-Gipfel 1999, bei dem die Agenda 2000 ausgehandelt wurde, habe Frankreich eine qualitätsorientierte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gefordert. Damals habe die Bundesregierung die französische Initiative aber abgeblockt und sich auf die Senkung der deutschen EU-Beiträge konzentriert. Die nun vielfach gestellte Forderung hingegen, vor allem kleine und mittlere Agrarbetriebe zu fördern, sei in Frankreich längst Wirklichkeit. Die Agenda 2000 überlässt es den Mitgliedstaaten selbst, ob sie EU-Agrarsubventionen an bestimmte Bedingungen - etwa ökologische oder die Zahl der Arbeitsplätze - binden. Im Gegensatz zu Deutschland hat Frankreich von dieser Möglichkeit rege Gebrauch gemacht. Und auch die so genannte Modulation ist beim westlichen Nachbarn längst eingeführt. Dabei werden die Subventionen für große landwirtschaftliche Betriebe um bis zu 20 Prozent gekürzt, um mit den frei werdenden Mitteln beispielsweise die Weidehaltung von Rindern zu fördern. Auch dieses Möglichkeit hat Deutschland bisher nicht in Anspruch genommen. Berlin wolle ja nicht einmal die EU-Förderung der großen ostdeutschen Höfe antasten, kritisierten die Fachleute im Pariser Landwirtschaftsministerium.

Generell können die Franzosen das deutsche Drängen nach einer ökologischen Wende nicht recht nachvollziehen. Selbst der erste Fall von Maul- und Klauenseuche hat keinen Aufschrei der französischen Öffentlichkeit gegen die industrielle Landwirtschaft ausgelöst. Das liegt zum einen daran, dass die Bauern mit ihrem Verband FNSEA über eine mächtige Lobby verfügen. Der FNSEA vertritt vor allem die großen landwirtschaftlichen Betriebe und macht bei Bedarf gegen die Regierung mobil. Am eigenen Leib mußte dies Premierminister Jospin Ende Februar bei der Landwirtschaftsmesse in Paris erfahren: Empörte Bauern bewarfen ihn mit faulen Eiern, Jospin vermeidet seither Reisen in ländliche Gebiete.

Der zweite Grund für die verhaltene Reaktion der französischen Öffentlichkeit liegt schlicht darin, dass BSE-Krise und Maul- und Klauenseuche links des Rheins viel früher wahrgenommen und bekämpft wurden als in Deutschland. Besonders deutlich wurde dies beim deutsch-französischen Gipfel von Vittel Anfang November: Während Präsident Jacques Chirac und Premier Jospin sich um neue Vorschläge zur Eindämmung der BSE-Krise stritten, lehnte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder noch entspannt zurück: Denn in Deutschland, so hieß es damals, gebe es keine BSE-Krise.

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