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EU: Lissabon-Vertrag auf der Zielgeraden

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel den Weg für ein zweites irisches Referendum über den EU-Reformvertrag von Lissabon geebnet.

Sie haben in rechtlich verbindlicher Form den Iren zugesichert, dass weder das irische Abtreibungsverbot, noch die militärische Neutralität der Insel und die nationale Steuerhoheit vom neuen EU-Vertrag in Frage gestellt werden. Damit können vermutlich die Bedenken vieler Wähler ausgeräumt werden, die im vergangenen Jahr gegen das neue EU-Vertragswerk gestimmt und die EU damit ein eine schwere innere Krise gestürzt hatten. Die irische Regierung hat nun gute Chancen, in einer zweiten Volksbefragung die Zustimmung der Iren für den Lissabonner Vertrag zu erhalten. Der irische Regierungschef Brian Cowen sagte in Brüssel: „Ich erwarte, dass wir Anfang Oktober soweit sind, ein Referendum abzuhalten.“

Bis zuletzt war die rechtliche Form der Garantien umstritten, die Dublin gefordert hatte. Der EU-Gipfel bestand darauf, dass die Zusicherungen auf keinen Fall eine neue Ratifikation in den 27 EU-Mitgliedstaaten erfordern dürfen. Die in Brüssel vereinbarte Lösung der verfassungsrechtlichen Probleme sieht nun vor, dass bei der nächsten EU-Erweiterung, vermutlich wenn Kroatien aufgenommen wird, im Zuge der dann ohnehin notwendigen neuen Ratifizierung der vertraglichen Veränderungen ein entsprechendes Protokoll an den Vertrag angefügt wird.

Schon in der Nacht zum Freitag hatten die 27 Staats- und Regierungschefs einstimmig beschlossen, den Portugiesen José Manuel Barroso für eine weitere fünfjährige Amtsperiode als Präsidenten der EU-Kommission zu nominieren. Bei der Gipfelentscheidung handelt es sich vorläufig um einen politischen Beschluss, der nach dem Votum des Europaparlaments noch formalisiert werden muss. Entscheidend sei aber, dass sich in Brüssel alle, auch die sozialistischen Regierungschefs, einstimmig für Barroso ausgesprochen hätten, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Brüssel. Sie geht davon aus, dass bei der konstituierenden Sitzung des neuen Europaparlaments am 15. Juli die Mehrheit Barroso bestätigen wird.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich gegen lange Verzögerungen beim Stabwechsel in Brüssel aus, hält allerdings eine Abstimmung im Straßburger Europaparlament im Juli für „sehr ehrgeizig“. Im Unterschied zum SPD-Spitzenkandidaten bei den zurückliegenden Europawahlen, Martin Schulz, lehnte der SPD-Kanzlerkandidat am Freitag jedoch nicht eine Ernennung Barrosos ab. Schulz, der bisher in Straßburg als Fraktionsvorsitzende der Europäischen Sozialisten (SPE) amtierte, fordert dagegen eine Verschiebung der Abstimmung über Barroso auf den Herbst. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die SPE-Fraktion Schulz in dieser Frage keineswegs geschlossen folgen wird. Die 27 Regierungschefs beauftragten die amtierende EU-Präsidentschaft, „Gespräche mit dem Europaparlament zu führen, ob das Parlament in der Lage ist, der Benennung aus seiner Plenartagung im Juli zuzustimmen“.

Als „wichtigen Fortschritt“ auf dem Weg zur Überwindung der weltweiten Finanzkrise bezeichnete die Kanzlerin die Beschlüsse zu einer gemeinsamen europäischen Finanzkontrolle. Die Staats- und Regierungschefs seien mit ihrem Konzept einer neuen Finanzmarktverfassung, die grenzüberschreitend tätige Banken einer strengen europäischen Kontrolle unterstellt und eine Art Frühwarnsystem für Krisen vorsieht, sogar noch über die ursprünglichen Vorschläge der EU-Kommission hinausgegangen. „Die Europäische Union und die USA haben die Lehren aus der Krise gezogen“, sagte Merkel. Man werde nun darauf hinarbeiten, die EU-Finanzkontrolle und die von US-Präsident Barack Obama vorgeschlagenen Finanzmarktregeln in Einklang zu bringen.

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