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Europa

© Liesa Johannson/photothek.net

EU: Lobbyisten auf dem Vormarsch

Brüssel zieht immer mehr Interessenvertreter an. Die EU-Kommission will sie in einem Register erfassen.

Berlin - Sie arbeiten für Chemiekonzerne, die Autoindustrie oder Handwerksverbände. Wie viele es sind, lässt sich nicht genau sagen, die Angaben schwanken zwischen 15 000 und 20 000. Die Rede ist von den in Brüssel tätigen Interessenvertretern. Sie nehmen Einfluss auf die Gesetzgebung im Räderwerk zwischen EU-Kommission, Europaparlament und Ministerrat. Lobbyisten gehören zum System in Brüssel, so wie in Berlin und Washington auch. Jetzt sollen sie nach dem Wunsch der EU-Kommission offenlegen, wer ihre Auftraggeber sind und welche finanziellen Mittel ihnen zur Verfügung stehen. Ab dem Frühjahr will die Kommission alle Lobbyisten in Brüssel in einer Online-Datenbank registrieren und dort veröffentlichen, in wessen Auftrag sie tätig sind.

Dass ein solches Register nötig ist, zeigen die Tricks, zu denen die Interessenvertreter in Brüssel zunehmend greifen. So kann es vorkommen, dass sich hinter Organisationen, die in Brüssel scheinbar Interessen der Allgemeinheit vertreten, tatsächlich ganz eindeutige Wirtschaftsinteressen verbergen: Das war beispielsweise bei einer „Patientenorganisation“ der Fall, die sich im Namen von Kranken für einen einfacheren Zugang zu Medikamenten einsetzte – und in Wahrheit für die Pharmaindustrie sprach, die ja genau dieses Interesse hat.

Zudem schießen in Brüssel die Think-Tanks wie Pilze aus dem Boden – und auch hier ist nicht immer klar, wer ihre Geldgeber sind. „Wir sind seit zwei bis drei Jahren mit einer Form des Lobbyismus konfrontiert, wie man ihn aus den USA kennt“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Claude Turmes. Brüssel wird zunehmend als Ort wichtiger politischer Entscheidungen wahrgenommen. Das schlägt sich auch in den Budgets von Firmen nieder, die Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen wollen. „Die Firmen geben immer größere Summen aus, um sich bei den Entscheidungsträgern in Brüssel Gehör zu verschaffen“, sagt Olivier Hoedeman von der Amsterdamer Nicht- Regierungsorganisation „Corporate Europe Observatory“.

Wie streng die EU-Kommission bei der geplanten Erfassung der Brüsseler Lobbyisten vorgehen soll, ist allerdings umstritten. Der in der Brüsseler Behörde für Betrugsbekämpfung zuständige estnische EU-Kommissar Siim Kallas setzt darauf, dass die Lobbyisten freiwillig die Angaben für das geplante Online-Register liefern. Dabei sollen sie sich an Regeln halten, die in einem derzeit diskutierten Verhaltenskodex festgelegt sind. Nach dem Entwurf sollen die Interessenvertreter neben ihrem Namen die Organisationen angeben, für die sie tätig sind. Sie müssen darstellen, welche Kunden und wessen Interessen sie vertreten. Zudem sollen sie sicherstellen, dass die Informationen, die sie an die EU-Institutionen weiterleiten, „ihrem besten Wissen nach richtig, vollständig und aktuell sind“. Was die Offenlegung der Finanzierung der Lobbyisten anbelangt, so heißt es im Büro von Kallas aber einschränkend: „Es geht nicht darum, jemanden zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen zu zwingen.“

Etlichen Kritikern wie dem Europaabgeordneten Turmes geht das Online-Register allerdings nicht weit genug. Der EU-Parlamentarier verlangt, die Brüsseler Interessenvertreter nach US-Vorbild zur Eintragung in das Lobbyisten-Verzeichnis zwingend zu verpflichten – und zwar „alle, die professionell Lobbyismus betreiben“.

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