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Politik: EU oder Nato? Gezerre um die Beitrittsstaaten

Europäer und USA bedrängen Osteuropäer wegen Strafgerichtshof

Von Thomas Gack, Brüssel

Im Streit um den Internationalen Strafgerichtshof geraten die EU-Beitrittskandidaten in eine Zwickmühle. Einerseits drängt Washington zu Ausnahmeregelungen. Andererseits will die EU die Staaten davon abhalten. „Wir sagen den Kandidatenländern: Bitte wartet, bis wir die Lage analysiert haben und dann eine gemeinsame Politik festlegen“, sagt Jean-Christophe Filori, Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Gegenwärtig prüfen EU-Diplomaten, ob die von den USA gewünschten bilateralen Sonderverträge, die US-Bürgern Ausnahmerechte zubilligen, mit den europäischen Vorstellungen einer internationalen Gerichtsbarkeit im Widerspruch stehen. „Anfang September werden wir im Kreise der Außenminister darüber beraten und Stellung beziehen“, sagt der EU-Sprecher. An die 12 Beitrittsländer erging der freundliche, aber bestimmte Ratschlag, bis zu dieser gemeinsamen EU-Entscheidung abzuwarten.

Nachdem die USA zunächst versucht hatten, für ihre Staatsangehörigen vor der internationalen Gerichtsbarkeit generell Immunität durchzusetzen, drängen sie nun seit Wochen die Regierungen zahlreicher Staaten zu bilateralen Sonderverträgen, in denen sich diese verpflichten sollen, US-Staatsbürger nicht an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern. Bisher haben Israel und – zum Ärger der Europäer – auch das EU-Kandidatenland Rumänien entsprechende Verträge unterzeichnet.

Die USA hatten bereits mit der Streichung von Militärhilfe gedroht. In den baltischen Staaten, Slowenien, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien fürchtet man aber wohl auch, dass der erhoffte Nato-Beitritt durch eine Ablehnung der amerikanischen Sonderwünsche erschwert werden würde. Denn die sieben Staaten kandidieren neben der EU auch für das Atlantische Bündnis. Und erfahrungsgemäß werden die USA beim EU-Gipfeltreffen in Prag, bei dem im Herbst über die zweite Aufnahmewelle entschieden wird, das Sagen haben. Ohne Zustimmung Washingtons wird für kein Land die Tür zur Nato aufgehen. Unterzeichnen die Osteuropäer einen Sondervertrag mit den USA trotz Warnungen Brüssels, erweisen sie sich schon vor dem Beitritt als halbherzige und unsichere Europäer. Verweigern sie sich den Wünschen Washingtons, drohen kurz vor dem Nato-Beitritt neue Komplikationen. Die USA könnten bei der Ausbildung der Streitkräfte und bei der Lieferung von Waffen und Gerät den Rotstift ansetzen.

In Deutschland regt sich Kritik am amerikanischen Vorgehen. Der Außenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, bezeichnete im Deutschlandfunk das Verhalten der USA als eine „sehr hemdsärmelige Art und Weise, seine eigene Macht durchzusetzen“. Ein Ausweg aus dem Dilemma ist für die nähere Zukunft allerdings nicht in Sicht. Die USA verstärken ihren Druck, und die EU bleibt bei ihrer Position: „Wir wollen eine wirksame internationale Strafgerichtsbarkeit, die Kriegsverbrecher und Menschenrechtsverletzer abschreckt“, sagt Filori. „An der gundsätzlichen Meinungsverschiedenheit, die wir hier mit den Amerikanern haben, hat sich bisher leider nichts geändert.“

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