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Volksheld. Selbst auf einem öffentlichen Bus in Washington prangt das Konterfei des Enthüllers Snowden – seine Unterstützer finanzierten die Anzeige.

© dpa

EU-Parlament befragt Snowden: Auskunft auf Umwegen

Der NSA-Enthüller Edward Snowden will Fragen von EU-Abgeordneten beantworten – allerdings nur per Videobotschaft. US-Präsident Barack Obama kündigt unterdessen schärfere Regeln für die NSA an.

Nicht aus Berlin, sondern aus Brüssel könnte es demnächst Aufklärung im Abhörskandal des US-Geheimdienstes NSA geben. Nach Angaben von Jan Philipp Albrecht, des innen- und justizpolitischen Sprechers der Grünen im Europaparlament, hat sich der amerikanische Whistleblower Edward Snowden bereit erklärt, „als zentraler Zeuge“ in der Spähaffäre den Brüsseler Abgeordneten gegenüber auszusagen. Damit könnte die Öffentlichkeit noch vor Weihnachten eine Erklärung Snowdens in Sachen NSA mitverfolgen, die den Bundestag ebenfalls interessieren dürfte. Allerdings wird auch dem Europaparlament die Befragung Snowdens nur auf Umwegen gelingen: Erst soll ihm ein Fragenkatalog vorgelegt werden, den er anschließend per Videobotschaft beantworten kann.

Dabei kann man sich schon jetzt ausmalen, wie die Antwort des Enthüllers auf die wohl eher rhetorisch gemeinte Frage lauten dürfte, ob er durch seine Veröffentlichungen Terroristen in die Hände gespielt hat. Dieser Punkt findet sich in einem Katalog von 14 Fragen der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Gemeinsam mit den anderen Fraktionen im EU-Parlament wollen die Grünen bis zum kommenden Donnerstag den endgültigen Fragenkatalog ausarbeiten.

Videoaufzeichnung vermutlich am 18. Dezember im Europaparlament

Snowden kann den Europaabgeordneten zwar nicht direkt per Video-Schaltung Rede und Antwort stehen, weil ihn die US-Behörden dann automatisch im russischen Exil orten könnten. Und nach Brüssel reisen kann er schon gar nicht. Deshalb sollen Snowdens Antworten vor der Veröffentlichung per Video nach Brüssel übermittelt werden. Wie der Grünen-Abgeordnete Albrecht der Nachrichtenagentur AFP sagte, werde die Videoaufzeichnung vermutlich am 18. Dezember im Innen- und Rechtsausschuss des Europaparlaments gezeigt.

Mit Ausnahme der britischen Konservativen stehen die EU-Abgeordneten hinter der Befragung Snowdens. Dass die Aussagen des Enthüllers tatsächlich schon am 18. Dezember verfügbar sind, liegt im Interesse der Parlamentarier. Denn damit dürften sie auch die Tagesordnung des nächsten Brüsseler EU-Gipfels am 19. und 20. Dezember mitprägen. Man darf gespannt sein, welche Antwort Snowden etwa auf die im vorläufigen Katalog aufgeworfene Frage gibt, wie sich die massenhafte Datenüberwachung durch Geheimdienste in den kommenden Jahren weiterentwickeln könnte, wenn die Kontrolle der Dienste demnächst nicht verbessert wird.

In anderen Fragen aus dem vorläufigen Katalog der Europaparlamentier geht es wiederum um die Bewertung des Materials, das Snowden zu Tage gefördert hatte. So war Ende Oktober unter Berufung auf die Dokumente des Whistleblowers berichtet worden, dass zwischen Anfang Dezember 2012 und Anfang Januar 2013 in Frankreich mehr als 70 Millionen Telefonverbindungen durch die NSA aufgezeichnet worden seien. US-Geheimdienstdirektor James Clapper wies die Berichte anschließend als fehlerhaft zurück. Von Snowden erhoffen sich die Europaabgeordneten nun Aufklärung in diesem strittigen Punkt – ebenso wie zu dem Vorwurf, dass EU-Einrichtungen und die staatliche belgische Telefongesellschaft Belgacom abgehört wurden.

Obama kündigt schärfere Regeln für NSA an

Unterdessen kündigte US-Präsident Barack Obama nach den monatelangen Berichten über ausufernde Überwachung schärfere Regeln für die NSA an. Er werde im Januar Regelungen zur „Selbstbeschränkung“ vorschlagen, sagte Obama in einem Interview des TV-Senders MSNBC. Einzelheiten nannte er nicht. Zunächst wolle er einen unabhängigen Bericht über die Spähpraxis abwarten, der für Mitte Dezember angekündigt ist.

Zwar habe Snowden durch seine Enthüllungen „legitime Besorgnis“ ausgelöst, gab Obama zu. Aber alles in allem mache die NSA gute Arbeit und vermeide ungesetzliche Überwachungen in den USA. „Außerhalb unserer Grenzen ist die NSA aggressiver. Sie wird nicht von Gesetzen eingeschränkt“, sagte Obama. Weltweit hatten unter anderem Berichte über die Überwachung der Telefone von mindestens 35 Spitzenpolitikern diplomatische Spannungen ausgelöst. Auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel soll abgehört worden sein.

Zu den neuesten Enthüllungen der „Washington Post“, wonach die NSA pro Tag Milliarden Ortsdaten von Handynutzern sammelt, nahm Obama nicht Stellung. Der Zeitung zufolge speichern die Geheimdienstler die Aufenthaltsorte hunderter Millionen Geräte. (mit dpa)

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