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EU-Politik: Juncker empört sich über Merkels Oettinger-Nominierung

Kritik aus Luxemburg: Ministerpräsident Juncker rügte die Personalpolitik der großen EU-Mitgliedsstaaten. Zugleich hat er sich als EU-Ratspräsident ins Gespräch gebracht.

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker hat sich kritisch über den Anspruch Deutschlands auf ein wichtiges Wirtschaftsressort in der künftigen EU-Kommission geäußert. Er sei "sehr verwundert darüber", dass beispielsweise die Regierungen in Berlin, Paris, London, Madrid oder Warschau erklärten, welche Posten ihren Kommissaren zukämen: "Wo sind wir denn? Dies ist absolut nicht vertragskonform", sagte Juncker. "Es ist der Präsident der Europäischen Kommission, der die Kompetenzen festlegt, nicht die Bundeskanzlerin, nicht der französische Präsident und kein anderer Regierungschef."

Angela Merkel hatte nach der Nominierung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger als EU-Kommissar gesagt, dieser werde ein "interessantes und für Deutschland wichtiges Ressort" innerhalb der EU-Kommission bekommen und mit seiner wirtschaftspolitischen Erfahrung ein wichtiger Ansprechpartner in Brüssel sein. Oettinger sagte, er sei an einer Aufgabe interessiert, die mit wirtschaftlichen Fragen zusammenhänge.

"Es ist nicht Sache der deutschen Regierung, welches Zuständigkeitsgebiet Herr Oettinger erhält", sagte Juncker. "Es ist nicht einmal seine eigene Zuständigkeit", sagte der dienstälteste Regierungschef der EU. "Das stößt mir schon sehr auf."

Er warf Deutschland und den anderen großen EU-Mitgliedstaaten vor, den EU-Vertrag nicht zu respektieren und sich über die Interessen kleinerer Staaten hinwegzusetzen. "Mich stört zunehmend, dass vor allem Politiker in Regierungsverantwortung und in parlamentarischer Verantwortung in größeren Ländern sich eigentlich über die eindeutigen Bestimmungen des europäischen Vertragswerkes hinwegsetzen", sagte Juncker. "Sie bestimmen auch ihre Kommissare ohne direkte, intensive Rücksprache mit dem Kommissionspräsidenten". Dies gelte aber nicht nur für Deutschland, sondern für die anderen größeren Mitgliedstaaten. Die Konsultation mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso sei jedoch im EU-Vertrag vorgeschrieben. "Aber Vertragstreue zählt nicht mehr viel in Europa."

Zugleich hat er sein Interesse am Amt des Ratspräsidenten der Europäischen Union geäußert. "Wenn alles passt und wenn der Wunsch an mich herangetragen würde, würde ich nicht von vornherein Nein sagen. Aber das Profil muss passen". Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag müsse vor einer Personalentscheidung vor allem über die Aufgaben des Präsidenten gesprochen werden. Das Amt wird ebenso wie das eines EU-Außenministers durch den Reformvertrag von Lissabon neu geschaffen.

Auch der britische Ex-Regierungschef Tony Blair hatte Interesse an dem Posten erkennen lassen. Daraufhin hatte Juncker entgegnet, der erste EU-Ratspräsident müsse eine europapolitische Biografie aufweisen, die es "nicht zu einer Überraschung macht, dass er nun zur ersten Stimme Europas wird". Er müsse große Ohren haben, damit er alle Signale aus den Hauptstädten hören und in Kompromisspakete einpacken könne.

Juncker betonte, es habe bei der Schaffung des Postens im gescheiterten Verfassungsvertrag "ein informelles Einverständnis gegeben, dass der erste EU-Ratspräsident nicht aus einem großen Land kommen sollte". Auch mehrere kleine Staaten sowie die konservative Regierung Großbritanniens sehen Blairs Kandidatur skeptisch.

Quelle: ZEIT ONLINE, Reuters, dpa

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