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EU-Posten: Eifersüchteleien um "Mister Terrorismus"

Höchste Terror-Warnstufe in Großbritannien, in Deutschland beschwört Bundesinnenminister Schäuble die Gefahr von Anschlägen in ganz Europa herauf. Da wirkt es paradox, dass der Posten des obersten Anti-Terrorismusbeauftragten der Europäischen Union seit Monaten verwaist ist.

Höchste Terror-Warnstufe in Großbritannien, in Deutschland beschwört Bundesinnenminister Schäuble die Gefahr von Anschlägen in ganz Europa herauf. Da wirkt es paradox, dass der Posten des obersten Anti-Terrorismusbeauftragten der Europäischen Union seit Monaten verwaist ist. Seit der Niederländer Gijs de Vries im März aus dem Amt schied, findet die EU keinen geeigneten Nachfolger. So heißt es zumindest offiziell. Hinter den Kulissen wird sogar die Abschaffung des Amts erwogen. Deutschland ist daran nicht ganz unschuldig. Denn die großen EU-Staaten wachen eifersüchtig über ihre Polizei- und Geheimdienstkompetenzen.

Der deutsche EU-Vorsitz habe sich bis zur Stabübergabe an Portugal am 1. Juli jedenfalls nicht aktiv bemüht, den Anti-Terror-Beauftragten zu ersetzen, sagt ein Brüsseler Insider: "Wenn die Deutschen daraus eine Priorität hätten machen wollen, hätten sie das gekonnt." Aber auch anderen EU-Staaten kam der Abschied von de Vries, der aus "persönlichen Gründen" ausschied, zupass, heißt es in EU-Kreisen: "Es gab interne Debatten, ob er überhaupt ersetzt werden sollte. Sein Abgang hat niemanden geschmerzt."

"Wenig schillerndes" Amt

Das hat weniger mit der Person des rührigen de Vries zu tun als mit seinem Amt. Ein EU-Kenner beschreibt den Posten, den die EU nach den Terroranschlägen von Madrid am 11. März 2004 schuf, als "wenig schillernd". Denn von Mitteln wie sie US-Heimatschutzminister Michael Chertoff hat, kann der europäische Anti-Terror-Berater nur träumen. Er hat weder einen Stab von 200.000 Mitarbeitern noch ein Rekordbudget von 32,4 Milliarden US-Dollar (fast 24 Milliarden Euro) zur Verfügung. Stattdessen muss er in Brüssel mit einem kleinen Sekretariat auskommen.

Hauptproblem aber sind die begrenzten Kompetenzen des Terror-Experten, der dem Stab des EU-Außenbeauftragten Javier Solana angehört. Er soll die Zusammenarbeit der EU-Staaten beim Anti-Terror-Kampf stärken und über die Umsetzung von europäischen Beschlüssen wachen. Eine heikle Aufgabe. Beim Thema Sicherheit wollen sich die meisten Mitgliedsländer nicht hereinreden lassen. Statt Zusammenarbeit herrscht vielerorts Geheimniskrämerei.

Zuständigkeiten und Öffentlichkeitsarbeit

Auch in Deutschland wachen die Innenminister eifersüchtig über ihre Zuständigkeit, die ihnen bei den Bürgern den Ruf eines Beschützers einbringt. Der ehemalige Ressortinhaber Otto Schily (SPD) soll den Terrorismus-Beauftragten de Vries sogar kurz nach seinem Amtsantritt in einer EU-Runde öffentlich gedemütigt haben, berichten Brüsseler Teilnehmer.

Vielleicht stieß Schily auch die hohe Sichtbarkeit von de Vries auf. "Mister Terrorism", wie ihn die englischsprachige Presse nannte, wurde publikumswirksam von dem damaligen US-Außenminister Colin Powell empfangen. Auch auf Reisen nach Asien oder in den Nahen Osten gab er dem Anti-Terror-Kampf der EU ein Gesicht. De Vries habe einen "Zusatzwert für die Sichtbarkeit der EU" gebracht, heißt es in Brüssel.

Eher Columbo als "Supercop"

Jetzt aber müsse die EU "den Posten neu definieren", sagt die Sprecherin von Chefdiplomat Solana, Christina Gallach. Die Zusammenarbeit mit den USA stehe auf guten Grundlagen, auch Anti-Terror-Gesetze seien angeschoben. Die EU-Staaten suchen deshalb nach Angaben aus EU-Kreisen eher einen erfahrenen Polizeioffizier als eine Persönlichkeit aus der Politik. Er sollte aus einem großen EU-Staat stammen und "beim großen Publikum unbekannt, aber für seine Glaubwürdigkeit anerkannt" sein, heißt es. Also eher ein Inspector Columbo als ein "Supercop". Dieses Profil mache die Neubesetzung des Postens nicht gerade einfach, heißt es in Brüssel.

Fabrice Randoux[AFP]

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