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EU-Ratspräsidentschaft: Kanzlerin sieht Europa als "nationales Anliegen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die deutsche Doppelpräsidentschaft in der EU und der G8 im kommenden Jahr zur nationalen Aufgabe erklärt. Sie warnte vor einem endgültigen Scheitern der EU-Verfassung.

Berlin - In einer Regierungserklärung bat Merkel die Opposition und die Bundesländer um Unterstützung: "Machen wir uns die Präsidentschaften zu einem gemeinsamen nationalen Anliegen." Ziel müsse es sein, das Wachstum in der Welt zu fördern und "Europa gemeinsam gelingen" zu lassen. Während die FDP Rückhalt zusicherte, kam von Linkspartei und Grünen harsche Kritik an der Europapolitik der Bundesregierung.

Merkel stellte den Bundestagsabgeordneten das Arbeitsprogramm der Bundesregierung für den EU-Vorsitz in der ersten Hälfte 2007 vor. Dabei warnte sie vor einem endgültigen Scheitern der EU-Verfassung. Es wäre ein "historisches Versäumnis", wenn bis zu Europawahl 2009 kein "Ergebnis zur Substanz des Verfassungsvertrages" vorläge. "Wir brauchen einen Verfassungsvertrag", betonte Merkel. Berlin werde dafür bis zum Ende der Ratspräsidentschaft einen Fahrplan ausarbeiten.

Kanzlerin benennt Schwerpunktthemen

Bei ihrem EU-Vorsitz fühle sich die Bundesregierung "der Weiterentwicklung des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells verpflichtet", sagte die Kanzlerin. Als Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft nannte sie den Bürokratieabbau, die Vollendung des Binnenmarktes insbesondere im Energiesektor, den Klimaschutz sowie Forschung und Bildung.

Die Kanzlerin verteidigte zudem die Reaktion der EU auf die Nichtumsetzung des Ankara-Protokolls durch die Türkei als "entschlossen und besonnen". Die EU-Außenminister hatten sich darauf verständigt, in den Beitrittsgesprächen mit Ankara acht der insgesamt 35 Kapitel zunächst nicht zu eröffnen. Zugleich schloss Merkel weitere Erweiterungsschritte in der EU nicht aus. Dies gelte insbesondere für Kroatien. Auch weitere Staaten des westlichen Balkans hätten eine mittlere Beitrittsperspektive.

Künast: "Rede war blutleer und dürftig"

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte Merkel Unterstützung zu: "Wir alle wollen den Erfolg ihrer Präsidentschaft." Hier gehe es um deutsches Interesse "und nicht um Opposition oder Koalition". Westerwelle rief die Koalition allerdings zur Einigkeit in der Türkei-Frage auf und mahnte, den europäischen Binnenmarkt als Chance und nicht als Risiko zu begreifen.

Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine forderte erneut eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung. Diese müsse die Interessen der Mehrheit der Bürger berücksichtigen und nicht die der Großkonzerne. Lafontaine kritisierte europäische "Fehlentwicklungen" beim Lohn-, Sozial- und Steuerdumping, bei denen Deutschland Vorreiter sei.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bemängelt, Merkel habe in ihrer Regierungserklärung die Ziele nicht konkret benannt: "Diese Rede war seltsam blutleer und dürftig." Durch unnötige Provokationen in Richtung Türkei habe Merkel einen "Klotz am Bein". Künast forderte außerdem größere Schritte beim Klima- und europäischen Datenschutz sowie eine offene Debatte über die EU-Verfassung.

Lob aus den eigenen Reihen

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer lobte dagegen, Merkel habe mit einer "großartigen Regierungserklärung" Mut gemacht für die Ratspräsidentschaft. Zugleich warnte er vor zu großer Nachgiebigkeit gegenüber der Türkei. Der EU-Beschluss sei "das mindeste, was als Antwort erforderlich war".

Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) mahnte längerfristig eine Harmonisierung der Steuer- und Sozialsysteme in der EU an. Ein gemeinsamer Markt mit 27 unterschiedlichen Steuer - und Sozialsystemen sei nicht vorstellbar. (tso/ddp)

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