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EU-Referendum: Irland sagt "No"

Es mag am verflixten Freitag, den 13. liegen: Schon Stunden vor Bekanntwerden der Ergebnisse der irischen Volksabstimmung rechnet in Brüssel niemand mehr ernsthaft mit einem "Ja" zum EU-Vertrag von Lissabon. Mit der Roten Karte aus Irland droht Europa eine schwere Depression.

Eine "böse Überraschung" stehe bevor, orakelte der Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), am Freitagmorgen. Der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) erklärte: "Das irische Nein zum Vertrag von Lissabon ist ausgesprochen bedauerlich." Da hatte Justizminister Dermot Ahern in Dublin gerade erst verkündet, ein Nein zeichne sich ab.

Für überzeugte Europäer wie Schulz oder Brok wird ein Albtraum wahr - Europa droht eine Depression wie schon nach den gescheiterten Volksabstimmungen zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden vor drei Jahren. Auch der größte außenpolitische Erfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheint damit zunichte. Sie hatte den Lissabon-Vertrag als "Verfassung Light" vor einem Jahr unter ihrem EU-Vorsitz mühsam gegen Briten und Polen durchgeboxt.

Verdruss über eine elitäre EU

Vor einem "tiefen Bruch" der EU warnt Schulz. "Zwischen denen, die eine vertiefte EU wollen und denen, die einen Binnenmarkt ohne jede Regeln wollen". Mit letzterem meint der SPD-Kandidat für die Nachfolge des deutschen EU-Kommissars Günter Verheugen Länder wie Großbritannien und jetzt auch Irland.

Aber nicht nur bei irischen Bürgern macht sich Verdruss über eine als fern und elitär empfundene EU breit. Der Berliner Verein "Mehr Demokratie" findet es ein Unding, dass knapp drei Millionen wahlberechtigte Iren stellvertretend für 495 Millionen Europäer über die Zukunft der EU entscheiden - das entspricht noch nicht mal einem Prozent der EU-Bevölkerung.

Brok: Ratifizierung schnell abschließen

Dagegen hält der Europaparlamentarier Brok: "Der Vertrag ist das Beste, was wir für die europäischen Bürgerinnen und Bürger erreichen konnten." Denn der Lissabon-Vertrag sollte dem Europaparlament mehr Mitbestimmung geben und die EU demokratischer machen. Auch die teils quälend lange Entscheidungsfindung in der EU sollte verkürzt werden. Der CDU-Politiker fordert daher, die Ratifizierung in den anderen 26 EU-Staaten nun zügig abzuschließen.

Ob dies gelingt, ist längst nicht ausgemacht. So weigerte sich etwa der polnische Präsident Lech Kaczynski bisher, dem vom Parlament gebilligten EU-Vertrag seine Unterschrift zu geben. Mit der Einschätzung, das Nein sei "keine große Tragödie", dürfte Kaczynski auch in Tschechien oder Großbritannien Gehör finden.

Auch "Plan B" auf der Kippe

Damit steht der naheliegendste "Plan B" auf der Kippe, auf den Frankreich und - nach einer Absprache Merkels mit Präsident Nicolas Sarkozy vom Montag - offenbar auch Deutschland setzen. Der französische Europastaatssekretär Jean-Pierre Jouyet deutete am Freitag an, Sarkozy werde unter seinem EU-Vorsitz ab dem 1. Juli ein "juristisches Arrangement" mit Irland versuchen. Im Klartext: Durch zahlreiche Ausnahmeregeln zum Lissabon-Vertrag (sogenannte "Opt-outs") die Iren noch zu einer Zustimmung zu bewegen, notfalls auch ohne zweites Referendum. Dafür allerdings ist eine erfolgreiche Ratifizierung in allen 26 anderen EU-Staaten nötig.

Angesichts der wachsenden Europaskepsis müssen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel eine triftige Antwort einfallen lassen. Das schlagendste Argument für ein "Ja" wagt bisher niemand zu nennen: Erst der Lissabon-Vertrag gäbe Irland, Großbritannien, Polen und anderen europaskeptischen Ländern die Möglichkeit zu einem Austritt aus der EU. (AFP)

Stephanie Lob

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