zum Hauptinhalt

EU-Reform: In der Verlängerung

Tschechiens Präsident Klaus will sich nach dem "Ja" der Iren zum Lissabon-Vertrag mit der Ratifizierung in seinem Land Zeit lassen

Vaclav Klaus hat falsch gewettet. Die Iren würden den Lissabon-Vertrag ablehnen, hatte der tschechische Präsident am Tag vor dem Referendum auf der grünen Insel selbstbewusst auf Reporterfragen geantwortet. Aus diesem Grund mache er sich keine Gedanken darüber, ob er das Vertragswerk unterschreiben werde oder nicht. Nach dem „Ja” der Iren blickt Europa nun gebannt nach Prag, wo Klaus weiter auf Zeit spielt. Er könne den Vertrag nicht ratifizieren, erklärte der Staatschef, schließlich müsse das Verfassungsgericht in Brünn noch darüber entscheiden, ob die Regierung in Prag überhaupt Teile staatlicher Kompetenzen an Brüssel abtreten darf.

Klaus und eine kleine Gruppe von EU-Gegnern in Tschechien sind gegen den Lissabon-Vertrag, weil sie glauben, dass Tschechien dadurch seine Souveränität verlieren würde. Zudem mutmaßen sie, dass die großen EU-Staaten – allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien – mit dem Vertrag nur ihre Vormachtstellung sichern wollten.

Einige Hundert Gegner des Lissabon- Vertrages demonstrierten nach Bekanntwerden des Ergebnisses des Irland-Referendums in der Prager Altstadt. Sie sprachen dem Präsidenten vor seinem Amtssitz ihren Dank dafür aus, dass er das Vertragswerk noch nicht unterzeichnet hat. „Natürlich respektiere ich die Entscheidung der Iren vollständig, darüber kann es gar keine Diskussion geben“, sagte Klaus am Rande der Demonstration in Prag. Zugleich kritisierte er, dass in Irland das Referendum nach dem negativen Ergebnis der ersten Abstimmung vom Juni 2008 wiederholt wurde. Das sei, als lasse man ein Fußballspiel einfach noch einmal beginnen, wenn man mit dem Ergebnis der Begegnung nicht zufrieden sei, wurde Klaus in tschechischen Medien zitiert. „Wenn das Referendum anders ausgefallen wäre, hätte man eben ein drittes, viertes, fünftes, neunundfünzigstes abgehalten – so lange, bis das Ergebnis richtig gewesen wäre.“

Wann und ob die Tschechen den Lissabon-Vertrag unterzeichnen, ist derzeit noch ungewiss. Bereits vor mehreren Monaten haben die beiden Kammern des Prager Parlaments das Vertragswerk ratifiziert, jetzt fehlt lediglich noch die Unterschrift des Präsidenten. In der vergangenen Woche haben einige Mitglieder des tschechischen Senats beim Verfassungsgericht eine Klage gegen den Lissabon- Vertrag eingereicht. Die Richter sollen überprüfen, ob der Vertrag im Einklang mit der tschechischen Verfassung steht. Experten erwarten unisono, dass das Gericht grünes Licht geben wird, zumal es schon im vergangenen Jahr bei der Untersuchung einiger strittiger Passagen keinen Rechtskonflikt erkennen konnten. Der Vorsitzende des tschechischen Verfassungsgerichts, Pavel Rychetsky, forderte Klaus in einem Brief auf, vor einer möglichen Ratifizierung das Verdikt der Richter abzuwarten. Wann das Verfassungsgericht die Entscheidung fällt, ist derzeit noch völlig unabsehbar.

Der Prager Premierminister Jan Fischer zeigte sich indes optimistisch, dass der Lissabon-Vertrag wie geplant im Januar 2010 in Kraft treten könne. „Die irische Entscheidung ist eine gute Nachricht für die Ambitionen und Ziele der Europäischen Union, und deshalb glaube ich, dass es auch in der tschechischen Republik gelingt, die Ratifizierung schnellstmöglich abzuschließen“, sagte Fischer. Sein Land sei sich in der jetzigen Situation seiner Verantwortung bewusst, hieß es in der Stellungnahme weiter. Das Verfassungsgericht arbeite mit Hochdruck an der Überprüfung des Vertragswerkes.

Zuvor war spekuliert worden, dass Klaus seine Unterschrift so lange hinauszögern würde, bis im traditionell EU-skeptischen Großbritannien ein mögliches Referendum über den Vertrag angesetzt werden könnte. Klaus erklärte aber am Samstag, dass die Briten viel früher etwas gegen den Vertrag tun müssten und nicht bis zu einem Referendum warten sollten. Von den Europa-Befürwortern in Prag werden diese Worte so interpretiert, dass Klaus den Lissabon-Vertrag nach dem Spruch des Verfassungsgerichtes wohl ratifizieren werde.

Inzwischen hoffen die Pro-Europäer sogar auf die indirekte Unterstützung eines anderen EU-Gegners. Polens Präsident Lech Kaczynski erklärte, dass er den Vertrag in den kommenden Tagen ratifizieren werde. Wie sein tschechischer Amtskollege hatte auch er seine Unterschrift verweigert, wollte nach der Entscheidung in Irland allerdings sofort zur Tat schreiten. Das werde Mitte dieser Woche passieren, versprach Kaczynskis Sprecher Pawel Wypych.

Kilian Kirchgeßner[Prag], Knut Krohn[Warschau]

Zur Startseite