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EU-Reformvertrag: Deutschland macht sich für Europa stark

Ungewohnte Einigkeit im Bundestag: Die Abgeordneten stimmen mit breiter Mehrheit dem EU-Reformvertrag zu und loben das Dokument als Fortschritt für Europa. Lediglich die Linke lehnt den Vertrag als "neoliberal" ab und fordert eine Volksabstimmung.

Mit fast 90 Prozent der Stimmen hat der Bundestag für den weiteren Ausbau der europäischen Zusammenarbeit votiert. Von den fünf Fraktionen im Parlament stimmte am Donnerstag nur die Linke gegen die Ratifizierung des Reformvertrags von Lissabon, mit dem die EU der 27 Staaten effizienter und transparenter werden soll.

Die Debatte mit dem ersten Rede-Auftritt des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck im Bundestag blieb weitgehend ohne Streit. Der Bundesrat will am 23. Mai den EU-Vertrag endgültig ratifizieren. Damit er in Kraft treten kann, müssen alle EU-Länder bis Ende 2008 zustimmen. Einzelne Abgeordnete der Linken und der CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler wollen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Vertrag klagen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte den Lissabon-Vertrag als großen Fortschritt. "Europa wird stärker und selbstbewusster denn je." Deutschland werde davon profitieren. Beck verlangte die Schaffung eines europäischen Sozialraums. Für die Übertragung des EU-Vertrags in deutsches Recht votierten 515 Abgeordnete. 58 Parlamentarier stimmten mit Nein. Einer enthielt sich. Aus der Unionsfraktion gab es sieben Nein-Stimmen.

EU-Vertrag statt europäischer Verfassung

Der Vertrag von Lissabon tritt an die Stelle der EU-Verfassung, die bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war. Bisher haben zehn EU-Länder den Vertrag abschließend gebilligt. Am Donnerstag votierte das Parlament in Dänemark mit großer Mehrheit dafür. Am Mittwochabend hatte das portugiesische Parlament ratifiziert. Eine Volksabstimmung ist nur in Irland im Juni vorgesehen.

Merkel nannte den Vertrag im Bundestag ein "großes Projekt". Sie hob die Stärkung der Mehrheitsentscheidungen hervor. Blockaden und Stillstand könnten damit überwunden werden. Eine EU als Bundesstaat lehnte Merkel ab. Zugleich warnte sie vor unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei der Kooperation der EU-Mitglieder. Beck verlangte, die soziale Gerechtigkeit müsse gemeinsame Vision in Europa werden. Dazu gehöre "gleicher Lohn für gleiche Arbeit", der Ausbau der Arbeitnehmerrechte und der Mitbestimmung. Nur so werde die Gemeinschaft größere Zustimmung in der Bevölkerung erhalten.

Der Linke-Vorsitzende Lothar Bisky kritisierte, der Vertrag sei von "neoliberalem Geist" geprägt und nur schwer verständlich. Von Vereinfachung und Transparenz könne keine Rede sein. FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete Deutschland als Gewinner der EU, auch "wenn wir viel dafür bezahlen." Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin wandte sich gegen Polemik in der Debatte um die Türkei-EU-Mitgliedschaft. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) beklagte die stärkere Ausweitung der EU-Zuständigkeiten. "Nicht jedes Problem in Europa ist ein Problem für Europa."

Ärger um Ex-CDU-Mann Nitzsche

Für einen Eklat sorgte der aus der Unions-Fraktion ausgeschlossene Parlamentarier Henry Nitzsche. Er bezeichnete den Vertrag als "neuerliches Ermächtigungsgesetz". Wegen der Anspielung auf das Ermächtigungsgesetz von 1933, mit dem die Nationalsozialisten die Demokratie in Deutschland beseitigt hatten, gab es lautstarken Protest.

CSU-Chef Erwin Huber forderte in München die Senkung der deutschen EU-Beitragszahlungen. Jetzt müsse die Finanzplanung der EU auf den Prüfstand. Gleichzeitig lehnte Huber neue EU-Erweiterungsrunden ab. (mhz/dpa)

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