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EU-Russland-Gipfel: Merkel als Schlichterin an der Wolga

Neue Wortgefechte zwischen Warschau und Moskau haben das informelle Treffen vor dem Gipfel am Freitag überschattet. Bundekanzlerin Merkel soll die Wogen glätten.

Samara - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an der Wolga eine offene Aussprache beim EU-Russland-Gipfel angekündigt. "Der große Wert des Treffens liegt darin, dass man Gelegenheit hat, offen über alles zu reden und so die Entwicklung voranzutreiben", sagte die EU- Ratspräsidenten nach der Ankunft in Samara. Beim offiziellen Teil des von heftigen Meinungsverschiedenheiten überschatteten Gipfeltreffens am Freitag sind keine Entscheidungen geplant.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach in Samara von "Problemen, für die es aber auch Lösungen" gebe. Zuvor hatte Polens Außenministerin Anna Fotyga das russische Embargo gegen Fleischimporte aus Polen noch einmal heftig als "Kriegserklärung". kritisiert. Der außenpolitische Sprecher des russischen Föderationsrates, Michail Margelow, konterte, das polnische Veto gegen ein neues EU-Rahmenabkommen mit Russland sei "ein sinnloser Aufstand gegen den Lauf der Geschichte". Sein Land werde auch weiter die Grenzen für "gammeliges Fleisch" aus Polen geschlossen halten.

Raketenabwehr kein Thema

Die EU-Ratspräsidentin Merkel wollte sich an der Wolga um eine Wiederannäherung der EU an Russland bemühen. In den Streit um die Verlegung eines Kriegerdenkmals aus Sowjetzeiten in Tallinn und Angriffe auf estnische Diplomaten in Moskau hatte sich auch Brüssel eingeschaltet. Neben Merkel reisten auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Michael Glos nach Russland. Ein strittiger Gesprächspunkt dürfte das Ringen um eine Lösung für das nach Unabhängigkeit strebende Kosovo sein. Dagegen soll der Streit um die US-Raketenabwehr in Mitteleuropa kein Thema werden.

Tausende Polizisten patrouillierten auf dem Gelände der Residenz am Wolga-Ufer 200 Kilometer nordwestlich von Samara sowie in der Wolgastadt Samara selbst. Dort will die russische Opposition am Freitag am Rande des Gipfels einen so genannten Marsch der Dissidenten abhalten. Obwohl die Behörden die Demonstration auf Druck der EU genehmigten, nahm die Polizei am Donnerstag erneut mehrere Organisatoren vorübergehend fest. Zu der Protestkundgebung hat sich auch der Oppositionspolitiker und frühere Schachweltmeister Garri Kasparow angekündigt.

Merkel will Putin für Klimaziele gewinnen

Kanzlerin Merkel hatte vor ihrem Abflug nach Russland im Bundeskabinett das nachdrückliche Interesse der EU an einer "strategischen Partnerschaft" mit Russland unterstrichen. Es gehe dabei um ein "geschlossenes Auftreten" der EU. Zugleich machte die Bundesregierung deutlich, dass Konflikte Russlands mit Polen und Estland auch ein EU-Thema seien. Putin hatte vor dem Gipfel die Bereitschaft Russlands wie auch der EU gelobt, die bestehenden Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

In Samara wollen beide Seiten über ein Frühwarnsystem für Schwierigkeiten bei Energielieferungen sprechen. Weitere Themen werden die Absicherung von Investitionen und die Zusammenarbeit im Bildungs- und Forschungssektor sein. Merkel will Putin auch für die internationalen Klimaziele gewinnen, die im Juni bei dem G8-Gipfel in Heiligendamm bei Rostock vereinbart werden sollen. Die deutsche Wirtschaft forderte, möglichst rasch über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland zu verhandeln. (tso/dpa)

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