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EU: Scheiden soll nicht mehr so wehtun

Bisher gilt in Europa bei Scheidungen das nationale Recht. Jetzt wollen die EU-Staaten ihr Recht angleichen.

Sie ist selbst betroffen gewesen und hat sich deshalb immer besonders stark gemacht für neue Regeln. Als Evelyne Gebhardt ihren deutschen Partner heiratete, besaß sie nur den französischen Pass. Inzwischen hält sie auch den der Bundesrepublik in Händen, sonst hätte sie schließlich nicht Europaabgeordnete für die baden-württembergische SPD werden können. Und so war sie stets sensibilisiert dafür, welches Ungemach Partnern aus verschiedenen EU-Staaten drohen kann, wenn die Ehe einmal doch scheitern sollte. Dasselbe gilt für Paare aus einem Land, die aber in einem anderen wohnen.

Bisher gilt in Europa bei Scheidungen das nationale Recht. In den mindestens 100 000 „internationalen“ Scheidungsfällen aber, die jährlich in Europa registriert werden, sieht die derzeitige Praxis häufig so aus: Derjenige Partner, der sich trennen will, ruft das Gericht an, bei dem er die für sich günstigsten Konditionen erwarten darf. Und das kann das jeweilige Gegenüber viel Geld kosten, weil Unterhaltszahlungen wie in der Bundesrepublik in vielen EU-Staaten, beispielsweise in Belgien, gänzlich unbekannt sind.

Abhilfe sollte schon 2006 geschaffen werden, doch eine neue EU-Richtlinie scheiterte am Widerstand Schwedens, das um seine ultraliberale Trennungspraxis fürchtete. Am Freitag nun gab die Brüsseler Kommission bekannt, dass sich Deutschland, Belgien und Lettland einer Gruppe von weiteren neun Staaten angeschlossen haben, die jetzt alleine mit neuen Regeln voranschreiten wollen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Europäischen Union, das ein Teil der EU-Staaten das vertraglich vorgesehene Instrument der „vertieften Zusammenarbeit“ nutzen will. Evelyne Gebhardt freut sich: „Mit Deutschlands Beteiligung kommen wir einer einheitlichen Rechtssprechung in Europa immer näher.“

Künftig haben Paare die Möglichkeit, selbst zu wählen, welche der infrage kommenden nationalen Rechtsprechungen in ihrem Fall angewandt werden soll. Sie können das bereits in guten Zeiten per Ehevertrag klären oder auch erst kurz vor Verfahrensbeginn. Können sie sich nicht einigen, bekommen Richter einen klaren Leitfaden an die Hand, welche Regelungen anzuwenden sind: Priorität hat dann der gemeinsame Aufenthaltsort. Gibt es den nicht, da die Eheleute getrennt in verschiedenen Ländern leben, gilt das Recht des Ortes, an dem sie zuletzt zusammenlebten. War das nie der Fall, ist die Justiz des Landes zuständig, aus dem beide stammen. Als letzte Option schließlich gilt dann das Scheidungsrecht am Ort, an dem die Scheidung beantragt wird. „EU-Bürger sollten“, so die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding, „selbst entscheiden dürfen, welches Recht in wichtigen Fragen ihres Lebens gilt.“

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