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Nationale Souveränität. In letzter Instanz sollen die Schengen-Staaten - und nicht die EU-Kommission - über die Wiedereinführung der Kontrollen entscheiden.

© dapd

EU: Schengen-Staaten dürfen ihre Grenzen schließen

Die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen soll einfacher werden - wenn die Außengrenzen des Schengen-Raums nicht mehr gesichert werden können.

EU-Staaten können künftig im Alleingang ihre Grenzen abschotten, ohne dass die Kommission in Brüssel Einspruch erheben kann. Das ist der Kern eines Grundsatzbeschlusses zur Reform des Schengen-Abkommens, auf den sich die Innenminister der 27 EU-Staaten am Donnerstag bei ihrem Treffen in Luxemburg verständigten. Die EU-Länder beschlossen einen neuen Notfallmechanismus, nach dem sie für insgesamt bis zu zwei Jahre ihre Grenzen schließen können, wenn „außergewöhnliche Umstände das Funktionieren des (Schengen-)Raums insgesamt ohne interne Grenzkontrollen gefährden“. Normalerweise gibt es an den Grenzen der 26 Schengen-Staaten keine Passkontrollen.

Auslöser der Reform war der Arabische Frühling im vergangenen Jahr: Im Frühjahr 2011 nutzten viele Nordafrikaner den Zerfall der ehemaligen Regime, die bei der Flüchtlingsabwehr mit der EU kooperiert hatten, um die Flucht über das Mittelmeer zu wagen. Die vor allem rund um die italienische Insel Lampedusa aufgegriffenen Flüchtlinge wurden von der Regierung in Rom aber nicht alle auf das Land verteilt oder in ihre Herkunftsstaaten zurückgeschickt. Vielmehr stattete Rom zum Ärger der EU-Partner hunderte Tunesier mit Schengen-Visa aus. Frankreich beschloss, die Grenze abzuriegeln, ohne dass es dafür eine klare Rechtsgrundlage gab. „Wir brauchten einen Mechanismus, der die Grenzschließung im Innern erlaubt, wenn es ein Problem an der Außengrenze gibt“, sagte ein Diplomat. Der EU-Gipfel vor einem Jahr erteilte den Auftrag dazu.

Bisher ist es unter zwei Umständen zulässig, Grenzkontrollen einzuführen – bei Bedrohung der Sicherheit etwa nach einem Terroranschlag sowie im Zuge vorhersehbarer Großereignisse wie Fußballweltmeisterschaften. Diese Artikel bleiben im Gesetzestext des reformierten Schengen-Abkommens, den die Minister annahmen, fast unverändert. Die EU-Kommission wollte eine Verlängerung dieser Grenzkontrollen über fünf Tage hinaus zu einer gemeinschaftlichen Entscheidung der europäischen Institutionen machen – und blitzte damit bei Europas Innenministern ab. „Das letzte Entscheidungsrecht bleibt natürlich bei den Mitgliedsstaaten“, sagte nun Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Nach dem in Luxemburg gefassten Grundsatzbeschluss kommt der EU-Kommission immerhin eine umfassende Rolle bei der Bewertung der Situation an den Außengrenzen des Schengen-Raums zu. So bilden Kommissionsexperten zusammen mit den Fachleuten anderer Mitgliedstaaten Beobachterteams, die auch unangekündigt auftauchen können, um künftig zwei Mal im Jahr über die Lage an den Schengen-Außengrenzen zu berichten. Wird dabei ein Problem festgestellt, kann die EU-Grenzschutzagentur Frontex angefordert werden.

Sollte es nach drei Monaten weiter „eine ernsthafte Bedrohung“ der Sicherheit geben, kann die EU-Kommission als Ultima Ratio dem Ministerrat die Wiedereinführung von Grenzkontrollen vorschlagen, der dies wiederum mit Mehrheit dem jeweiligen Land empfehlen kann. Friedrich betonte, es bleibe „in der Letztverantwortung des Mitgliedstaates, dies umzusetzen“.

Im Europaparlament erhob sich Protest gegen den Beschluss. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) beklagte das „unnötige Machtspiel“: „Das Europaparlament wird keinen zusätzlichen Grund für die Wiedereinführung von Kontrollen akzeptieren, ohne einen gemeinschaftlichen Mechanismus, um zu überprüfen, ob diese nötig sind oder nicht.“

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