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Trübe wie das Wetter war zuletzt das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Angela Merkel und François Hollande suchten in Paris nach Lösungen.

© Reuters

EU soll effektiver werden: Merkel und Hollande oder: Die neue Einigkeit

Merkel und Hollande wollen die Wirtschafts- und Währungsunion stärken. Es könne nicht sein, dass Beschlüsse erst wirksam werden, wenn Ungleichgewichte bereits eingetreten sind, so Merkel. Es ist das erste Mal seit Hollandes Wahl, dass sich beide mit gemeinsamen Vorschlägen an die Partner wenden.

Der deutsch-französische Motor springt offenbar wieder an. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande einigten sich am Donnerstag bei einem Treffen in Paris auf eine gemeinsame Initiative zur Konsolidierung und Stärkung der Europäischen Union. Diese soll dem nächsten EU-Gipfel Ende Juni vorgelegt werden und nach ihren Vorstellungen bei einem weitern Gipfel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu konkreten Beschlüssen führen. „Wir lösen ein, was wir Anfang des Jahres beim Jubiläum des Elysée-Vertrages versprochen haben: einen Beitrag zur Fortentwicklung der Union zu leisten und sie wettbewerbsfähiger zu machen“, sagte Merkel im Beisein Hollandes in einer Pressekonferenz.

Es ist das erste Mal seit der Wahl Hollandes im vergangenen Jahr, dass sich Frankreich und Deutschland wieder mit gemeinsamen Vorschlägen an die Partner wenden. Beide Regierungen sind sich einig darüber, dass die Euro-Zone künftig von einem hauptamtlichen Präsidenten geführt werden und für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ein eigenes Budget erhalten soll, erklärte Hollande.

Das Treffen in Paris fand vor dem Hintergrund aktueller Meldungen über die drastische Zunahme der Arbeitslosigkeit in Frankreich statt: Nach Angaben des Arbeitsamtes waren Ende April fast 40 000 Menschen mehr als im Vormonat ohne Jobs. Mit knapp 3,26 Millionen Arbeitslosen hat die Beschäftigungskrise in Frankreich damit einen historischen Höchststand erreicht.

Sowohl Hollande als auch Merkel betonten die Notwendigkeit einer stärkeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Merkel forderte die Institutionen der Europäischen Union auf, Entscheidungen schneller zu treffen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt werde immer erst dann wirksam, „wenn Ungleichgewichte bereits eingetreten sind und wir uns Defizitverfahren nähern“, sagte sie. Nötig sei es deshalb, schon früher aktiv zu werden. Dazu sollten sich die Staats- und Regierungschefs künftig häufiger treffen. Haushaltskonsolidierung und Wachstum seien zwei Seiten der selben Medaille. Der Abbau von Defiziten sei leichter, wenn es Wachstum gebe, sagte sie.

Verheißungsvolles und Düsteres zeigt der Louvre in einer Ausstellung über deutsche Kunst von 1800 bis 1939. Merkel und Hollande besichtigten sie gemeinsam.
Verheißungsvolles und Düsteres zeigt der Louvre in einer Ausstellung über deutsche Kunst von 1800 bis 1939. Merkel und Hollande besichtigten sie gemeinsam.

© dpa

Hollande bekannte sich zur Notwendigkeit struktureller Reformen, die die EU-Kommission in Brüssel zur Bedingung für die Verlängerung der Frist zum Erreichen der Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gemacht hat. Er verteidigte jedoch seine Äußerung vom Vortag, dass die Kommission seinem Land nicht zu diktieren habe, was es tun soll. „Sie kann uns nur sagen, dass Frankreich seinen Haushalt ausgleichen soll. Die Details und die Methode sind unsere Sache“, bekräftigte er.

Für seine Äußerung hatte Hollande besonders in Deutschland heftige Kritik geerntet. Mehrere Politiker der Regierungskoalition forderten einen härteren Kurs der Europäischen Union gegenüber Paris. „Wenn ein Land in der EU und der Euro-Zone glaubt, sich nicht an Verabredungen halten zu müssen, ist dies besorgniserregend“, sagte zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs. Auch sein Parteikollege Andreas Schockenhoff kritisierte die Haltung Hollandes. Sie widerspreche „Geist und Buchstaben europäischer Vereinbarungen und Verträge“, sagte Schockenhoff in Berlin. „Wer so redet, rüttelt an Grundfesten der EU.“

Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Frankreich müsse sich mehr auf die soziale Marktwirtschaft besinnen statt auf die „sozialistische Staatswirtschaft“. Aber nicht nur im Regierungslager wurde Kritik laut: Der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold bezeichnete Hollandes Aussage vom „Diktat aus Brüssel“ als „Armutszeugnis“ für die französische Europapolitik.

Premierminister Jean-Marc Ayrault und Finanzminister Pierre Moscovici sind allerdings Zweifel an der Reformbereitschaft Frankreichs umgehend entgegengetreten. Die Forderungen aus Brüssel bestätigten „im wesentlichen“ nur die schon ohnehin geplanten Reformen, erklärten sie. Die Notwendigkeit weiterer Ausgabenkürzungen und Strukturreformen betonten jetzt auch Notenbankchef Christian Noyer und der französische Rechnungshof.

Tatsächlich scheint sich Hollandes Beharren auf der wirtschaftspolitischen Souveränität Frankreichs denn auch weniger an die Adresse Brüssels und der EU-Partner zu richten als an die radikalen Linken in Frankreich. Die Linke wirft Hollande eine Unterwerfung unter Merkels Sparkurs vor. Mit diesem Vorwurf kommt sie bei manchen von der Krise geschüttelten Franzosen durchaus an. In Umfragen verlor die sozialistische Regierung zuletzt deutlich an Zustimmung.

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