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Günther Oettinger verursacht einen Aufschrei in Europa.

© AFP

EU und Atomkraft: Stress mit Oettinger

Der deutsche Energiekommissar steht mit seiner Forderung nach Akw-Überprüfungen in der EU eher einsam da. Unterstützung kommt aus Wien und Madrid.

Deutschland schaltet seine alten Meiler ab, und der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger möchte die 143 Atomkraftwerke in der EU auf den Prüfstand stellen. In der deutschen Öffentlichkeit, die der Atomkraft nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima noch skeptischer gegenübersteht als zuvor, mögen die Reaktionen der Bundesregierung und des Brüsseler Kommissars noch als logische Folge aus der Havarie in Japan erscheinen. In vielen anderen Ländern der EU ist das nicht so: Dort hat die Ankündigung Oettingers, im zweiten Halbjahr mit Belastungstests für Europas Atomkraftwerke zu beginnen, einen Aufschrei verursacht. In zahlreichen EU-Mitgliedstaaten gilt die Atomkraft schließlich auch weiterhin als Zukunftstechnologie.

Mit den Stresstests, die am kommenden Montag bei einem von Oettinger einberufenen Sondertreffen der EU-Energieminister in Brüssel diskutiert werden sollen, will der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident die Sicherheit europäischer Akw überprüfen. Es soll geklärt werden, ob Europas Kernkraftwerke auf einen Ausfall der Stromversorgung vorbereitet sind und ob sich ein Desaster wie in Japan auch in Europa wiederholen könnte. Im Europaparlament hatte Oettinger angekündigt, dass die Kommission vorschlagen werde, Reaktoren abzuschalten, die bei dem Test durchfallen.

Allerdings gibt es in Brüssel große Bedenken gegen den Kurs des deutschen Energiekommissars. Und auch in zahlreichen EU-Mitgliedsländern, die für die Planung und Kontrolle der Atomkraftwerke letztlich zuständig sind, formiert sich Widerstand. Insbesondere in Frankreich, das mit seinen 58 Reaktoren die größte Atomnation in der EU darstellt, gehen Kabinettsmitglieder auf Distanz zu Oettinger. Der hatte im deutsch-französischen Sender Arte prophezeit: „Ich glaube, dass der Stresstest, den wir an allen Kernkraftwerken durchführen wollen, zeigen wird, dass höchsten Sicherheitsstandards nicht alle Kernkraftwerke genügen.“ Obwohl Oettinger sich nicht genauer dazu äußerte, welche Akw den Test möglicherweise nicht bestehen könnten, ließ die Reaktion des französischen Energieministers Eric Besson nicht lange auf sich warten. Er sei „überrascht und schockiert“, versuchte Besson jegliche Diskussion um die Sicherheit französischer Meiler abzubiegen. Allerdings liegt das Atomkraftwerk Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze im Erdbebengebiet des Oberrheingrabens – einer der Gründe, warum Akw-Gegner ein Referendum über die Atomkraft in Frankreich fordern. Präsident Nicolas Sarkozy will davon aber nichts wissen.

Ähnlich wie Sarkozy warnt auch die britische Regierung davor, aus der Katastrophe von Fukushima voreilige Schlüsse für die Zukunft der Nuklearenergie zu ziehen. Londons Energieminister Chris Huhne kritisierte mit Blick auf das Moratorium für ältere deutsche Meiler „hastige Entscheidungen“ und forderte stattdessen einen Bericht über die Lehren des Atomunfalls von Fukushima an. Erste Details aus dem Bericht über die Sicherheit der 19 britischen Reaktoren im Licht des Atomdesasters in Japan sollen im Mai veröffentlicht werden.

Ganz unverhohlen machte hingegen Tschechiens Ministerpräsident Petr Necas deutlich, dass er nichts von einem Moratorium in der Atompolitik nach deutschem Muster hält. Seine Regierung „müsste eine Gruppe von absolut Verrückten sein, um auf so etwas einzugehen“, erteilte Necas Forderungen nach einer vorübergehenden Abschaltung des umstrittenen Kraftwerks Temelin eine Absage. Auch das zweite tschechische Kernkraftwerk in Dukovany, das noch komplett aus Sowjet-Bestandteilen besteht, hält Necas für sicher.

Komplett isoliert ist EU-Kommissar Oettinger im Kreis der europäischen Energieminister vor dem Sondertreffen am Montag freilich nicht. So verzichtet Österreich auf eigene Kernkraftwerke. Und auch Spaniens Regierungschef José Luis Zapatero hatte vor seiner Wiederwahl im Jahr 2008 einen allmählichen Ausstieg aus der Kernenergie versprochen. Nach dem Unglück von Fukushima kündigte Zapatero eine Überprüfung an, ob Spaniens Atomkraftwerke einem Erdbeben oder Überschwemmungen standhalten könnten.

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