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EU-Vertrag: Auf Berlin kommt es nicht an

Im Bundesrat gibt es nach der Abstimmung zum EU-Vertrag wenig Kritik an Klaus Wowereit – aber Europapolitiker sind enttäuscht vom Hauptstadtchef.

Möglicherweise hat Klaus Wowereit am Freitag im Bundesrat Trost in der Rede von Günther Beckstein gefunden. „Nicht jedes Problem in Europa ist auch ein Problem für Europa“, sagte der bayerische Ministerpräsident, der damit in der Debatte um den EU-Reformvertrag unterstreichen wollte, dass nicht alles in Brüssel erledigt werden muss. Der Satz passt auch auf die heimische Politik: Nicht jedes Problem in Deutschland – in diesem Fall in Berlin – ist auch eines für Deutschland. Dass Berlin sich bei der Abstimmung über die zukünftigen Grundlagen der EU enthalten hat, änderte nichts an der Tatsache, dass mit der Zustimmung aller anderen Länder der Weg zur Ratifizierung des Vertrags durch Deutschland frei ist. Denn auf Berlin kam es nicht an.

Das mögen sich am Vorabend auch die anderen SPD-Größen gedacht haben, als Wowereit in der üblichen Bundesrats-Vorbesprechung das Thema anschneiden wollte. Das Interesse war offenbar gering, „nur am Rande behandelt“, meinte Wowereit am Morgen danach.

Da es also auf Berlin nicht ankam, hatte Wowereit eine passende Erklärung für die Enthaltung: Wären die Stimmen Berlins für die Zweidrittelmehrheit nötig gewesen, „dann hätte ich mit Ja gestimmt“, sagte er vor der Sitzung. Aber sie seien nicht nötig gewesen. Die Aussagen Wowereits reizten den hessischen Bundesratsminister Volker Hoff (CDU) im Plenum zu einem süffisanten Kommentar: „Wenn es so ist, dass es auf Berlin nicht ankommt, dann gibt es viele Dinge, bei denen es auf Berlin nicht ankommt.“ Was Wowereit wiederum hernach zu der Replik provozierte, eine Regierung, die nur geschäftsführend im Amt sei wie die in Hessen, solle sich zurückhalten.

Im Bundesrat kam Wowereit recht glimpflich davon, Beckstein überging das Berliner Problem, und außer von Hoff gab es keine offene Kritik. Europapolitiker wurden deutlicher. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen kritisierte das Verhalten seines Parteikollegen Wowereit scharf. „Wowereit hätte Flagge zeigen müssen“, sagte Leinen dem Tagesspiegel mit Blick auf die Enthaltung Berlins. Statt der Enthaltung wäre es besser gewesen, wenn der Regierende Bürgermeister den Konflikt zwischen der SPD und der Linkspartei öffentlich gemacht hätte, sagte Leinen. „Bei einer so strategischen Frage wie der europäischen Einigung muss die Staatsräson vor der Parteiräson gehen“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsfragen im Europaparlament weiter.

Nach Leinens Auffassung sei aufgrund der europapolitischen Haltung der Linkspartei ein Bündnis mit der Partei auf Bundesebene ausgeschlossen: „Wir könnten keine Bundesregierung mit einer Linken machen, die kein positives Verhältnis zur europäischen Einigung hat“, sagte er. Auch der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), sagte, der Streit dokumentiere „die völlige Regierungsunfähigkeit der Linkspartei auf Bundesebene“.

Nach der Zustimmung des Bundesrats muss nun Bundespräsident Horst Köhler das Ratifizierungsgesetz zum EU-Reformvertrag unterzeichnen. Nach der Ansicht Leinens sollte sich das Staatsoberhaupt dabei nicht allzu viel Zeit lassen. Es „wäre ein falsches Signal an andere Mitgliedstaaten“, erklärte der SPD-Europaabgeordnete, wenn sich Köhler mit seiner Unterschrift bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Klagen gegen den Vertrag Zeit lassen würde.

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