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EU-Vertragskrise: Paris drängt Dublin zur Eile

Trotz der Forderung des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker, den Iren nach der Ablehnung des EU-Reformvertrages von Lissabon mit einer möglichen Wiederholung des Referendums mehr Zeit zu lassen, will der französische EU-Vorsitz Dublin bei der Lösung der Vertragskrise nicht aus der Pflicht entlassen.

„Wir werden nicht ewig warten“, hieß es am Donnerstag aus französischen diplomatischen Kreisen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy setzt weiter darauf, dass der irische Regierungschef Brian Cowen bis Ende des Jahres konkret darlegt, wie es auf der grünen Insel nach dem Nein zum Lissabon-Vertrag vom vergangenen Juni weitergehen soll. Der Lissabon-Vertrag muss in allen 27 EU-Ländern ratifiziert werden, um in Kraft zu treten.

Juncker hatte am Mittwoch in Brüssel erklärt, der Vertrag werde wohl nicht vor Anfang 2010 in Kraft treten können. Damit durchkreuzt der dienstälteste Regierungschef der Europäischen Union vor allem die Linie der Regierungen in Paris und Berlin, die offiziell für eine möglichst rasche Lösung der Vertragskrise plädieren. „Wenn ich irischer Ministerpräsident wäre, würde ich in den kommenden Monaten kein Referendum abhalten“, sagte Juncker. Unmittelbar nach dem Nein der Iren zum Reformvertrag, der die EU demokratischer und effizienter machen soll, hatte in Brüssel eine Wiederholung des Referendums im kommenden Frühjahr noch als mögliche Variante gegolten. Von einer schnellen Wiederholung des Referendums hält Juncker aber nichts. Damit macht sich Luxemburgs Regierungschef die Linie von EU-Mitgliedern wie Tschechien, Schweden oder Österreich zu eigen. Sie befürchten, dass ein übereilter zweiter Versuch vor allem ein Ergebnis herbeiführen würde – ein noch deutlicheres Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag.

Angesichts der Hängepartie schwindet in Brüssel immer mehr die Hoffnung, dass der Lissabon-Vertrag wie ursprünglich geplant vor den Europawahlen im kommenden Juni in Kraft treten kann. Dies würde bedeuten, dass die Wahlen nach den Regeln des geltenden „Vertrages von Nizza“ stattfinden würden, dem zufolge das Europaparlament weniger Abgeordnete hätte als nach dem Lissabon-Vertrag. „Es gibt keine Bewegung bei der irischen Regierung in Richtung eines zweiten Referendums“, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), dem Tagesspiegel. „Man muss realistischerweise davon ausgehen, dass die Europawahl auf der Grundlage von Nizza stattfindet.“ 

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