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Politik: EU will Embryonenzüchtung fördern

Deutschland soll Projekte mitfinanzieren, die es im eigenen Land unter Strafe stellt – verlangt Europas Parlament

Berlin/Straßburg. Das Europäische Parlament hat sich am Mittwoch mit einer klaren Mehrheit für eine EU-Förderung der in Deutschland verbotenen Embryonenforschung ausgesprochen. Während die EU-Kommission vorschlug, die Forschung mit so genannten überzähligen Embryonen nur dann zu finanzieren, wenn diese vor dem 27. Juni 2002 hergestellt wurden, lehnte das Europaparlament nun mit 298 zu 214 Stimmen jede Begrenzung der Forschungsförderung durch Stichtage ab. Dies bedeutet, dass Stammzellforschung auch dann mit EU-Geld finanziert werden könnte, wenn dafür Embryonen getötet werden müssen.

Von Thomas Gack

und Rainer Woratschka

Das Votum des Europaparlaments steht im Widerspruch zur Gesetzgebung in einer ganzen Reihe von EU-Staaten. In Deutschland etwa ist nur die Forschung an embryonalen Stammzelllinien erlaubt, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Der Beschluss ist allerdings nicht bindend für die EU-Forschungsminister, die am 3. Dezember über die umstrittene Forschungsfinanzierung entscheiden sollen. Wissenschaftler hoffen, mit Hilfe der Stammzellforschung einmal Ersatz für krankes Gewebe oder gar Organe herstellen zu können. Bisher hat eine Sperrminorität aus Deutschen, Österreichern, Italienern und Portugiesen im EU-Ministerrat die Förderung dieser Forschung mit EU-Geld verhindert. Sollte diese Koalition zerbrechen, müsste Deutschland Forschungsprojekte mitfinanzieren, die es im eigenen Land unter Strafe gestellt hat.

Der Gentechnik-Berichterstatter im EU- Parlament, Peter Liese (CDU), äußerte sich „sehr enttäuscht“ über das Votum und bezeichnete es als „Pyrrhussieg“. Das Parlament habe „die Chance verpasst, der Forschung einen klaren ethischen Rahmen zu geben“, sagte er. Stattdessen habe man den Graben zwischen Befürwortern und Gegnern der Stammzellforschung in Europa vertieft. Für die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer ist der Beschluss ein „Desaster“. Statt Geld in akzeptierte Forschungsprojekte zu stecken, werde das Produzieren überzähliger Embryonen belohnt. Sollte der Ministerrat im Sinne des EU-Parlaments entscheiden, werde sie dies europa- und verfassungsrechtlich überprüfen lassen, sagte Breyer dem Tagesspiegel. Es sei auch zu befürchten, dass die Entscheidung „als Türöffner für die Embryonenforschung in Deutschland benutzt wird“.

Der Vize-Vorsitzende der Bioethik-Enquetekommission, Hubert Hüppe (CDU), sprach von einem „bioethischen Tiefpunkt für Europa“. Embryonen zu Forschungszwecken töten zu lassen, „kann keine europäische Gemeinschaftsaufgabe sein“. Hüppe warf den deutschen SPD-Abgeordneten vor, durch „ihre Zerrissenheit“ zu dem Votum beigetragen zu haben. Wolfgang Wodarg (SPD) kritisierte, dass sich auch deutsche Europaabgeordnete für die Förderung hierzulande verbotener Embryonenforschung ausgesprochen hätten. Nur die FDP sprach von einem „guten Tag“ für die Forschung. Die deutsche Bischofskonferenz nannte das Votum ein „verheerendes Signal“. Forschungsinteressen würden „höher bewertet als die Würde und das Lebensrecht menschlicher Embryonen“. Die Kommission der EU-Bischofskonferenzen äußerte sich „tief besorgt“.

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