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Ein Mann, viele Meinungen: Die Wende im Fall Strauss-Kahn und Spekulationen über dessen politische Zukunft beschäftigen nicht nur die französische Presse. Foto: Reuters

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Politik: Euphorie weicht Ernüchterung

Frankreichs Sozialisten zweifeln an einer Rückkehr Strauss-Kahns in die Politik

Die Euphorie währte nicht lange. Als die Nachricht von der spektakulären Wende in der Affäre des Dominique Strauss- Kahn am vergangenen Freitag in Paris eintraf, war das für Frankreichs Sozialisten zunächst ein befreiender Schock. Nach dem Trauma über den Absturz ihres Favoriten für die Präsidentenwahl 2012 hatten sie sich damit abgefunden, nur noch mit zweitklassiger Besetzung in den Wahlkampf zu ziehen. Nun schien ihnen das Schicksal auf einmal wieder hold. Überwältigt von der Erleichterung, der „immensen Freude“, wie sie Parteichefin Martine Aubry empfand, glaubten viele schon, nun doch DSK, wie sie ihren Parteifreund abgekürzt nennen, gegen Präsident Nicolas Sarkozy in die Wahlschlacht schicken zu können. „Wir brauchen ihn, sein Talent, seine Kompetenz, seine Statur“, hatte der frühere Kulturminister Jack Lang verkündet.

Solche schwärmerischen Visionen haben inzwischen einer nüchterneren Sicht Platz gemacht. Einstweilen bleibt Strauss-Kahn weiter angeklagt. Erst beim nächsten Gerichtstermin am 18. Juli könnte er, wenn überhaupt, von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen sexueller Aggression entlastet werden. Schon am 13. Juli endet jedoch die Frist, die die Sozialisten für die Abgabe der Bewerbungen zur parteiinternen Vorwahl gesetzt haben, bei der sie im Oktober ihren Präsidentschaftskandidaten küren wollen. Sollen sie diese Prozedur jetzt in der Annahme einer eventuellen Rückkehr Strauss-Kahns in die französische Politik aussetzen?

Der frühere Parteichef Francois Hollande und die 2007 gegen Sarkozy gescheiterte Kandidatin Ségolène Royal, die sich beide bewerben, haben die Frage sofort mit Ja beantwortet. Das ist keine Überraschung. Sie hatten schon früher klargemacht, dass sie auf jeden Fall, auch gegen den Favoriten Strauss-Kahn, antreten würden. Anders Martine Aubry. Sie hatte sich mit Straus-Kahn verbündet und hatte ihre Bewerbung vergangene Woche als Letzte abgegeben. Der Frage nach einer Änderung der Prozedur weicht sie aus. Sie muss auch auf den linken Flügel der Partei Rücksicht nehmen. Dessen Vertreter lehnen eine Änderung der Prozedur strikt ab. Sie waren eigentlich erleichtert darüber, dass der dem rechten Flügel zugerechnete Strauss- Kahn aus dem Rennen ausgeschieden war, und wollen ihm jetzt ein Comeback nicht erleichtern.

So gespalten wie die Partei erscheint auch die öffentliche Meinung. Nach einer Erhebung der Zeitung „Le Parisien“ vom Sonntag sprachen sich 49 Prozent der Befragten dagegen aus, dass die Sozialisten ihre Kandidatenkür aus Rücksicht auf Strauss-Kahn verschieben. Nur 43 Prozent waren dafür. Bei den Sympathisanten der Linken waren es mit 51 Prozent ein paar mehr. Gleichzeitig befürworteten 49 Prozent der Franzosen eine Rückkehr Strauss-Kahns in die Politik, 45 Prozent waren dagegen. Bei den Anhängern der Sozialisten waren 65 Prozent für seine Rückkehr in die Politik.

Enge Gefolgsleute Strauss-Kahns, die nach der Wende in New York mit ihm telefonierten, ließen durchblicken, dass er selbst noch nicht weiß, ob und wann er in die französische Politik zurückkehrt, wenn er von dem auf ihm lastenden Verdacht befreit sein wird. Er brauche Zeit, wieder zu sich zu kommen, sagte der Abgeordnete Jean-Christophe Cambadélis, einer seiner engsten Vertrauten. Das hänge davon ab, ob er völlig oder nur zum Teil reingewaschen werde. Und davon, wie er dann selbst über seine Affäre denke. „Das wird lange dauern“, meinte der Vertraute.

Ob die Sozialisten mit Strauss-Kahn bessere Karten für den kommenden Wahlkampf hätten, steht jedoch dahin. Nach einem Freispruch könnte er zwar als Opfer eines brutalen Justizsystems bei Franzosen mit latent antiamerikanischen Ressentiments auf Sympathien zählen. In dem Fall, in dem das Verfahren eingestellt wird, weil die Anklage wegen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin zusammenbricht, wäre das anders. Es bliebe immer ein Makel an ihm haften. Außerdem kamen durch die Affäre Dinge aus seinem Privatleben an die Öffentlichkeit, die den einstigen sozialistischen Hoffnungsträger in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

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