zum Hauptinhalt
Die Finanzminister der Euro-Zone müssen entscheiden, ob Griechenland die Voraussetzungen für weitere Hilfszahlungen erfüllt.

© dpa

Euro-Finanzminister tagen in Brüssel: Deutschland gegen Schuldenschnitt für Griechenland

Vor der Sitzung der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel sieht es nicht nach einer unmittelbaren Entscheidung über weitere Hilfszahlungen für Griechenland aus.

Griechenland quält sich mit den Reformen bei der Rentenversicherung und den geplanten Steuererhöhungen. Und die Geldgeber quälen sich mit der Frage, ob Hellas einen Schuldenschnitt bekommen soll. Dies ist die Ausgangslage für das Treffen der 19 Finanzminister der Euro-Zone an diesem Montag in Brüssel. Die Sitzung könnte den Auftakt für eine Neuauflage des Griechenland-Dramas vom vergangenen Sommer bilden.

Worum geht es beim Treffen der Euro-Finanzminister?

Die Euro-Finanzminister wollen über die Frage beraten, ob Griechenland inzwischen weitere Bedingungen im Gegenzug für das dritte Hilfspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro erfüllt hat. Dieses Rettungspaket war im vergangenen Sommer beschlossen worden. Inzwischen hat der Euro-Krisenfonds ESM daraus 21,4 Milliarden Euro an Griechenland ausbezahlt. Eigentlich hätte Athen schon längst weitere Hilfen in Höhe von fünf Milliarden Euro erhalten sollen, doch dafür hat Hellas noch nicht genügend geliefert: Solange sich die Gläubiger bei der ersten Überprüfung der Reformfortschritte nicht zufrieden zeigen, kann auch kein frisches Geld überwiesen werden. Eigentlich hätte die Überprüfung bereits im vergangenen Oktober abgeschlossen sein sollen. Aber weil Athen bei den Reformen nicht vorankommt, wurde der Termin immer wieder verschoben.

In dieser Situation wollen sich die Euro-Finanzminister in Brüssel an diesem Montag mit der Frage beschäftigen, inwieweit Griechenland die Reformziele bei der ersten Überprüfung erfüllt hat und wann die nächsten Hilfsmilliarden eventuell fließen können. Mit einer Entscheidung, Griechenland den nächsten Scheck auszustellen, wird für diesen Montag noch nicht gerechnet. „Wir sind nicht in der Nähe einer Einigung“, hieß es am Sonntag aus EU-Kreisen.

Was ist, wenn sich die Finanzminister nicht einigen?

Die Lage ist noch nicht so brenzlig wie im vergangenen Sommer, als Griechenland unmittelbar vor einer Pleite stand und Spekulationen über einen „Grexit“ die Runde machten. In dieser Notlage stimmte der griechische Premier Alexis Tsipras seinerzeit jenem Sparpaket zu, zu dessen Umsetzung auch die am Sonntag erwarteten Athener Parlamentsbeschlüsse über höhere Rentenbeiträge und Steuererhöhungen gehören.

„Wir werden dieses Jahr keine große Griechenland-Krise kriegen.“ Zu diesem Satz, den Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am vergangenen Dienstag in Berlin sagte, gehört zwar eine gehörige Prise Zweckoptimismus. Aber nach gegenwärtigem Stand können sich die Verhandler tatsächlich noch ein paar Wochen Zeit lassen, bevor es wirklich ans Eingemachte geht. Laut EU-Diplomaten droht Griechenland wohl erst im Juli die Zahlungsunfähigkeit, wenn nicht weitere Hilfsmilliarden fließen. Als ein wichtiger Termin gilt dabei der 20. Juli, wenn Griechenland 2,3 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen muss. Angesichts dieses Terminkalenders wird in Brüssel damit gerechnet, dass sich die Verhandlungen noch bis Ende Mai hinziehen könnten. Anschließend kann Tsipras für einige Wochen aber erst einmal nicht darauf setzen, dass sein Land ganz oben auf der europäischen Agenda steht – denn die wird im kommenden Monat vom britischen EU-Referendum am 23. Juni beherrscht.

Bekommt Hellas einen Schuldenschnitt?

Derzeit beträgt der Schuldenstand Griechenlands rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist schon lange der Auffassung, dass eine derart hohe Staatsverschuldung auf Dauer untragbar ist und deshalb ein Schuldenschnitt her muss. Doch die Euro-Finanzminister sind in der Frage gespalten – vor allem deshalb, weil ein Schuldenschnitt einen Verzicht der Staaten als Kreditgeber bedeuten würde. Nach einem Bericht des „Spiegel“ unterstützen Frankreich und Portugal die IWF-Forderung nach einem Schuldenerlass, während Deutschland, Österreich und Finnland dies weiter ablehnen. Eine Sprecherin Schäubles bekräftigte am Sonntag die Haltung des deutschen Kassenwartes, wonach zunächst die erste Überprüfung der griechischen Reformfortschritte abgeschlossen sein müsse, bevor überhaupt über den Umgang mit den griechischen Schulden geredet werden könne.

Wie Schuldenerleichterungen konkret aussehen könnten, hatte der Athener Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis dem Tagesspiegel Anfang April erläutert. Damals sagte er, dass eine Verlängerung der Laufzeit einzelner Kredite und der Rückzahlungsfristen, weitere Zinsnachlässe oder eine Anpassung der Rückzahlungshöhe an die Wachstumszahlen in Griechenland denkbar seien. Als besonders kritisch gelten für Griechenland die ersten Jahre des kommenden Jahrzehnts, wenn Athen mit der Tilgung europäischer Hilfskredite beginnen muss.

IWF-Chefin Christine Lagarde hält allerdings Schuldenerleichterungen, von denen Griechenlands EU-Partner betroffen wären, für eine unmittelbar drängende Frage. Dies gehöre „sofort auf den Tisch“, schrieb die Französin in der zurückliegenden Woche in einem Brief an die 19 Länder der Euro-Zone. Ansonsten werde sich der IWF nicht am dritten Kreditprogramm für Griechenland beteiligen. Angesichts der Aufforderung Lagardes droht der Konflikt unter den Euro-Staaten über die griechischen Schulden an diesem Montag offen auszubrechen. Und Schäuble sieht sich in einem Dilemma: Einerseits will der Finanzminister sicherstellen, dass der IWF als Kreditgeber beim dritten Griechenland-Hilfspaket an Bord bleibt. Aber auf die Forderung des Währungsfonds, schon jetzt über Schuldenerleichterungen für Hellas zu sprechen, will er sich nicht einlassen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false