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Euro: Rutscht Italien in die Krise?

Die Angst geht um in Italien – wegen der enormen Verschuldung gerät das Land an den Kapitalmärkten unter Druck. Wirtschaft, Politik und Bürger fürchten, dass sich das Land wie Griechenland und Portugal mit dem "Euro-Virus" ansteckt.

Seit dem „schwarzen Freitag“ an der Mailänder Börse von vergangener Woche ist Italien tief verunsichert. An diesem Tag war der Risikozuschlag für die italienischen Staatsanleihen auf ein Rekordhoch seit der Einführung des Euro geklettert. Als Folge davon stürzten an der Mailänder Börse die Banktitel ab. Wirtschaft, Politik und Bürger fürchten, dass sich das Land wie Griechenland und Portugal mit dem „Euro-Virus“ ansteckt. Die Regierung von Silvio Berlusconi scheint politisch zu geschwächt, um die erforderlichen Gegenmaßnahmen durchzusetzen.

„Italien mit angehaltenem Atem“ titelte der „Corriere della Sera“ am Montag. Die anderen Zeitungen setzten ähnliche Schlagzeilen. Wie groß die Sorge ist, in den Sog der Eurokrise gerissen zu werden, lässt sich an der Äußerung von Staatspräsident Giorgio Napolitano ablesen, der am Montag mit Blick auf die im Senat beginnenden Beratungen des Sanierungspakets den „nationalen Zusammenhalt“ beschwor.

Und so wurde Italien am Montag auch ein Hauptgesprächsthema der europäischen Spitzenpolitiker in Brüssel, obwohl sie eigentlich nur über die Krise in Griechenland und die dafür notwendigen Hilfen beraten wollten. Auch wenn die deutsche Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister versuchten, Optimismus zu verbreiten – die Sorge greift weiter um sich.

Wie entwickelte sich zu Wochenbeginn der Finanzmarkt?

Die verbreitete Angst vor der Wiedereröffnung der Mailänder Börse am Montag sollte sich als berechtigt erweisen. Der Druck der Finanzmärkte auf die gewaltige italienische Staatsschuld nahm auch zu Wochenbeginn weiter zu; der Risikozuschlag für italienische Anleihen stieg noch weit stärker an als am Freitag. Die Börse brach erneut ein; die am Wochenende von der italienischen Börsenaufsicht Consob hastig verfügte Verschärfung der Bestimmungen für Leerverkäufe war nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.

Der Zinsaufschlag für italienische Anleihen nähert sich laut Finanzexperten einem besorgniserregenden Wert – und das nicht nur für Italien, sondern für die gesamte Eurozone: Die drittgrößte Wirtschaftsmacht der EU trägt mit 1890 Milliarden Euro rund ein Viertel der gesamten Schulden der 17 Euro-Länder.

Bereits am heutigen Dienstag wartet auf Italien ein weiterer Tag der Angst: Das Schatzamt legt neue Anleihen im Umfang von 6,75 Milliarden Euro auf. Man darf gespannt sein, wie rasch und zu welchen Konditionen die Papiere gezeichnet werden. Bisher hatte der italienische Staat keine Probleme, seine Anleihen unter die Leute zu bringen, was nicht zuletzt an der hohen Sparquote der Italiener lag. Neuerdings – und das beunruhigt die Experten – ziehen aber auch die italienischen Sparer ihre Einlagen ab: Der größte Käufer der italienischen Schulden droht auszufallen. Nach der vergleichsweise bescheidenen Emission der 6,75-Milliarden-Anleihe geht es Schlag auf Schlag: Bis Ende August werden 130 Milliarden der Staatsschuld fällig, innerhalb der nächsten zwölf Monate müssen insgesamt 310 Milliarden refinanziert werden. Der Betrag entspricht ziemlich genau den Gesamtschulden von Portugal und Irland zusammengerechnet.

Wie reagiert das politische Italien auf die Situation?

Nicht nur an den Finanzmärkten, auch politisch steht Italien vor Wochen der Entscheidung: Um den „Angriff der Spekulanten“ abzuwehren, sind Ministerpräsident Silvio Berlusconi und sein Finanzminister Giulio Tremonti entschlossen, das Sanierungspaket mit Korrekturmaßnahmen von 47 Milliarden Euro noch vor den Sommerferien durch das Parlament zu peitschen. Dank dem Paket soll die Vorgabe der EU-Kommission, bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, erreicht werden. Die Opposition hat bereits durchblicken lassen, dass sie sich nicht quer legen werde, sofern Berlusconi einmal der Versuchung widerstehen kann, Gesetze in eigener Sache ins Spardekret zu schmuggeln.

Wie soll das Sanierungspaket aussehen?

Eine schnelle Verabschiedung des Sanierungspakets wäre zweifellos ein positives Signal an die Märkte – obwohl es sich um eine Mogelpackung handelt: Der größte Teil der Korrekturen soll erst in den Jahren 2013 und 2014 verwirklicht werden und damit nicht mehr von der aktuellen Regierung. Ob das Paket geeignet wäre, die Zweifel an der Bonität der italienischen Schulden nachhaltig auszuräumen, ist fraglich: Das Problem Italiens ist weniger die Neuverschuldung – die Defizitprognose für das laufende Jahr liegt unter vier Prozent –, sondern die anhaltende Wachstumsschwäche.

Wie sind die Aussichten für wirtschaftliches Wachstum in Italien?

Italiens Wirtschaft ist in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt lediglich um 0,1 Prozent gewachsen, der EU-Durchschnitt lag bei 1,6 Prozent. Für den italienischen Notenbankchef und designierten neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi ist dies das Hauptproblem des Landes: Ohne Wachstum bestehe „keine realistische Aussicht auf den Abbau des Schuldenberges“, sagte er kürzlich. Von Reformen, die der Wirtschaft wieder Schwung verleihen könnten, fehlt im Sanierungspaket indessen jede Spur. Grund dafür ist die politische Lähmung der Regierung: Spätestens seit dem Debakel bei den Kommunalwahlen im Mai und den Niederlagen bei den Volksabstimmungen – unter anderem über den Wiedereinstieg in die Atomkraft – im Juni fehlen Berlusconi die politische Kraft und der politische Wille, die seit Jahren überfälligen, aber wenig populären Reformen anzugehen. Es muss schon als Erfolg gewertet werden, dass Finanzminister Giulio Tremonti die vom Premier nach den jüngsten Niederlagen reflexartig angekündigten Steuersenkungen verhindern konnte.

Dass Italien, das noch in den 90er Jahren Großbritannien wirtschaftlich überflügelt hatte und in den Kreis der G5-Staaten aufgenommen worden war, nun ebenfalls zu den Schmuddelkindern der Eurozone zählt, liegt am Versagen der Politik seit der Jahrtausendwende. In acht der seither vergangenen elf Jahr wurde das Land von Silvio Berlusconi regiert, der noch bis vor wenigen Monaten die Existenz einer Krise verneinte.

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