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David McAllister, früher Niedersachsens Ministerpräsident, ist Spitzenkandidat der CDU für den Europawahlkampf. Foto: AFP

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Politik: Europa, Europa, Europa!

Die Christdemokraten bekennen sich in ihrem Wahlprogramm zur EU Nur von Brüssels Hang zur „Überregulierung“ hält die CDU wenig.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die CDU ist eine europafreundliche Partei. Aber wenn sich Brüssel am deutschen Duschkopf vergreifen will, hört selbst bei Angela Merkels Partei der Spaß auf. „Wir haben erfolgreich die Regulierung von Ölkännchen in Restaurants oder Sonnenschirmen in Biergärten verhindert“, heißt es im Europa-Wahlprogramm, „und werden uns auch gegen die Überregulierung von Duschköpfen einsetzen.“ Die Sorge um das Sanitärgerät, dem die EU-Kommission Energiesparvorschriften machen will, ist einer der wenigen Punkte, an denen der am Montag bekannt gewordene Programmentwurf auf Einwände gegen das Projekt Europa eingeht. Ansonsten finden Europaskeptiker, erst recht solche vom Schlag der rechtskonservativen „Alternative für Deutschland“ (AfD), auf den 77 Seiten wenig Anlass zu beifälligem Nicken.

Verwunderlich ist das ja nicht. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble stehen derart prominent für einen proeuropäischen Kurs, dass schon der Versuch lächerlich wirken würde, sich davon ausgerechnet im Europa-Wahlkampf abzusetzen. Anders als die bayerische CSU sieht die CDU-Führung auch wenig Sinn darin, Populisten vom Schlag der AfD durch Lautstärke zu übertönen.

In der Sache liegen die Schwesterparteien gar nicht um Welten auseinander, wenn es zum Beispiel darum geht, „missbräuchliche Zuwanderung in soziale Sicherheitssysteme verhindern“ zu wollen. Auch die CDU spricht von „erheblichen sozialen Problemlagen und Belastungen“ durch EU-Bürger, die die Freizügigkeit missbrauchten. Auch sie hält „Sperren zur Wiedereinreise“ für ein geeignetes Mittel, um europäische Armutswanderung zu unterbinden. Aber Merkels Partei tut nicht so, als gehe es um ein Massenphänomen, sondern spricht von Problemen „in einigen Städten“. Und auch der berüchtigte Satz „Wer betrügt, der fliegt“ bleibt im politischen Alleinbesitz der CSU.

Gleiches gilt für die CSU-Forderung, die Zahl der EU-Kommissare zu beschneiden. Die CDU propagiert ein anderes Modell, um die Arbeit der Kommission in Brüssel zu straffen: Neben dem Kommissionspräsidenten solle es künftig ein paar Vizepräsidenten geben, die für bestimmte Politikbereiche zuständig sein sollen und denen die normalen Kommissare dann unterstehen würden.

Ansonsten ist im CDU-Programm nur am Rande von Europas Grenzen die Rede – immerhin findet sich das Prinzip, dass die Festigung der EU nach innen vor eine weitere Erweiterung gehen müsse –, dafür aber viel von Chancen. Eine digitale Agenda-Politik soll dazu beitragen, Industrie und Datennetze von den Amerikanern unabhängiger zu machen, junge Wähler sollen mit der Aussicht auf gleiche Handygebühren zwischen Atlantik, Mittelmeer und Ostsee für das Projekt eingenommen werden. Dass Merkels Partei – anders als die Sozialdemokraten – keinen Politikwechsel in Sachen Euro und Sparpolitik fordern, ist ohnehin klar.

Beschlossen werden soll das Programm am Wochenende vom CDU-Vorstand in Erfurt, anschließend soll es die Parteibasis diskutieren und ergänzen können. In Erfurt wird auch der frühere niedersächsische Ministerpräsident David McAllister zum Spitzenkandidaten der Partei gekürt. Anders als EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der auf dem Ticket aller sozialdemokratischen Parteien Europas antritt und mit der Kandidatur den Anspruch auf das Amt des EU-Kommissionschefs verbindet, kandidiert McAllister förmlich nur für einen einfachen Sitz im Straßburger Parlament. Aber es ist kein Geheimnis, dass Merkel den Niedersachsen gerne weiter protegieren würde – nur wohin, ist nicht klar. Robert Birnbaum

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