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Exklusiv

Europa: Grüne gehen auf Konfliktkurs zu Merkels Europapolitik

Bisher haben die Grünen im Bundestag die Euro-Krisenpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel mitgetragen. Doch nach der Bundestagswahl ändert sich die Tonlage: Merkels Reformpläne für die Euro-Krisenstaaten "bedeuten nicht mehr, sondern weniger Europa", heißt es in einem europapolitischen Papier der Öko-Partei.

Die Grünen wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Europapolitik künftig öfter die Gefolgschaft verweigern. "Jetzt ist ein klarer Gegenkurs zu Merkels Politik angesagt", heißt es in einem Papier des europapolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Manuel Sarrazin, und des Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer, das dem Tagesspiegel vorliegt. Den Stein des Anstoßes liefern die sogenannten Reformverträge, welche die Euro-Krisenstaaten nach dem Willen der Kanzlerin mit der EU-Kommission abschließen sollen. Der Grundgedanke dieser Reformverträge besteht darin, dass sich die Krisenstaaten im Gegenzug zu finanziellen Anreizen zu Strukturreformen verpflichten.

Seit Griechenland im Jahr 2010 bei den übrigen EU-Staaten um Hilfe bat, hatten die Grünen im Bundestag regelmäßig Merkels Krisenpolitik unterstützt. Zuletzt wurden im vergangenen April die milliardenschweren Hilfen für Zypern aus dem Euro-Krisenfonds ESM mit einer breiten Unterstützung der Grünen-Fraktion beschlossen. "Bei Entscheidungen zu Länderprogrammen und Rettungspaketen musste die Verantwortung für den europäischen Zusammenhalt überwiegen", heißt es in dem Papier Sarrazins und Bütikofers zur Begründung.

Auch wenn sich die Grünen als Pro-Europäer verstehen, wollen sie Merkels Europapolitik in Zeiten großkoalitionärer Verhandlungen nicht mehr ohne weiteres mittragen. Spätestens dann, wenn das Thema der von Merkel gewünschten Reformverträge den Bundestag erreicht, will sich die Öko-Partei verweigern.

Seit dem vergangenen Jahr wirbt Merkel auf europäischer Ebene für die Idee, dass sich die Mitgliedstaaten gegenüber der EU-Kommission zu Strukturreformen verpflichten und so die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Zone insgesamt stärken sollen. Solche Strukturreformen - beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt - würden der Idee zufolge mit Zahlungen aus einem noch zu schaffenden Eurozonen-Budget vergolten. Beim nächsten EU-Gipfel im Dezember soll beschlossen werden, wie die "wichtigsten Merkmale" der geplanten Reformverträge aussehen sollen.

Reform-Appelle aus Brüssel

In Brüssel wird darauf verwiesen, dass es schon jetzt die Möglichkeit gebe, Problemstaaten in der Euro-Zone dazu anzuhalten, ihr Reformtempo zu erhöhen. So hatte die Kommission in ihrem Länderbericht zu Frankreich im vergangenen Mai unter anderem einen Umbau des französischen Rentensystems angemahnt - worauf sich Staatschef François Hollande eine Einmischung Brüssels in die französische Innenpolitik verbat. Zuvor hatte Kommissionschef José Manuel Barroso in einer Blaupause für die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion im November 2012 "vertragliche Vereinbarungen" zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Organen angeregt, die ebenfalls Strukturreformen in Krisenstaaten als Gegenleistung für finanzielle Solidarität der übrigen EU-Staaten zum Ziel haben - ähnlich wie bei Merkels "Reformverträgen".

Die Grünen-Europapolitiker Sarrazin und Bütikofer verfolgen den Kurs der Kanzlerin gegenüber den Problemländern allerdings mit Sorge. Merkels Konzept bedeute "einen entscheidenden Angriff auf das bisherige politische Gefüge der Europäischen Union", schreiben die Europapolitiker. Die Kanzlerin wolle letztlich die EU-Kommission und das Europaparlament entmachten, befürchten sie. Ihr Argument: Die Kommission werde nach dem Konzept der "Reformverträge" immer nur dann als "Kettenhund" losgelassen, wenn die in der Euro-Gruppe versammelten Nationalstaaten das auch wollten. Im Ergebnis würde Deutschland leichteres Spiel bei der Durchsetzung seiner wirtschaftspolitischen Vorgaben haben, die Brüsseler Kommission würde gegenüber großen Mitgliedstaaten wie Frankreich am kürzeren Hebel sitzen, argumentieren die Grünen-Politiker. Ihr Fazit: "Diese Pläne Merkels bedeuten nicht mehr, sondern weniger Europa."

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