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Politik: Europa hört auf ein Kommando

Warum London nun doch einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zustimmen kann

Mit der grundsätzlichen Zustimmung des britischen Premierministers Tony Blair zu einer eigenständigen europäischen Verteidigungspolitik am vorletzten Samstag in Berlin kommt neuer Schwung in die Vorbereitungen für ein gemeinsames Hauptquartier. Schon auf dem Oktobergipfel in Brüssel könnten die Staats- und Regierungschefs die nötigen Grundsatzentscheidungen zum Aufbau einer militärischen Planungszelle für die demnächst 25 Mitgliedstaaten der EU treffen. Damit wäre es der EU möglich, selbstständig und ohne Rückgriff auf die Nato eigene Militäreinsätze zu planen.

Die außenpolitischen Berater der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien verhandeln gegenwärtig über Einzelheiten. Einige mitteleuropäische Staaten, Ungarn etwa, haben Unterstützung signalisiert. Die Regierenden setzen sich damit offenbar über die Vorbehalte ihrer Außen- und Verteidigungsressorts hinweg, die bisher vor den finanziellen Folgen und vor verdoppelten Planungskapazitäten bei EU, Nato und Mitgliedstaaten gewarnt hatten.

Die drei Staats- und Regierungschefs lassen unterdessen einen Kompromiss zwischen der auf dem so genannten „Pralinengipfel“ im April von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg vereinbarten rüstungs- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit eigener Planungszelle und dem britischen Vorschlag vorbereiten, innerhalb des Nato-Hauptquartiers eine europäische Planungsgruppe einzusetzen. Noch ist nicht endgültig klar, ob London seinen Vorschlag nun gänzlich zurückzieht. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass der Preis für die britische Zustimmung zur eigenständigen EU-Verteidigungspolitik ein Verzicht auf die im Konventsentwurf für die EU-Verfassung enthaltene gegenseitige Beistandsklausel gewesen sein könnte. Dieser Artikel 42 wird vor allem von Washington, aber auch von Großbritannien, kritisiert, weil er neben die Solidarität innerhalb des Nato-Bündnisses eine zweite Beistandsverpflichtung der Europäer setzt, bei der die USA und Kanada außen vor blieben.

Die Beteiligten werden nicht müde zu unterstreichen, dass sich eine solche eigenständige Planung keineswegs gegen die Nato richte. Allerdings ist unübersehbar, dass damit ein für die USA faktisch existierendes Vetorecht im Nato-Rat gegen geplante eigenständige EU-Operationen mit Nato-Planungskapazitäten ausgehebelt würde.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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