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Politik: Europa im Visier

Al-Qaida-Gefangene berichten von Attentatsplanungen – wie konkret die sind, ist schwer einzuschätzen

Berlin - Die jüngsten Terrorwarnungen aus den USA und aus Großbritannien passen zu den Erkenntnissen deutscher Sicherheitsexperten. Schon seit dem Sommer wägen die Geheimdienste und die Polizei die Möglichkeit eines großen Anschlags – in Europa.

Al-Qaida-Gefangene hatten in Verhören offenbar mehrfach geäußert, Europa gelte als das schwache Glied in der westlichen Gemeinschaft, auf das die Anstrengungen des Terrornetzwerks gerichtet seien. Konkrete Angaben sind das nicht. Spezifische Abwehrmaßnahmen ermöglichen sie ebenso wenig. Aber die Erkenntnisse sind Warnsignal genug, um beunruhigt zu sein.

Dass der US-Fernsehsender CBS jetzt unter Berufung auf arabische Diplomaten und pakistanische Sicherheitskräfte berichtet, das Terrornetzwerk Al Qaida plane zur Weihnachtszeit Anschläge in Europa, dürfte wahrscheinlich auf Teilerkenntnissen aus entsprechenden Quellen beruhen.

Auch die britische Geheimdienstchefin Eliza Manningham-Buller hat in der vergangenen Woche die Gefahr durch die Al-Qaida drastisch geschildert. Von allein 30 geplanten Anschlägen wisse der britische Geheimdienst. Die Terroristen seien willens, bald mit chemischen, bakteriologischen, radioaktiven und sogar nuklearen Materialien zuzuschlagen. In Großbritannien – muss man dazu wissen – besteht seit den offenbar verhinderten Anschlägen auf zehn Flugzeuge auf ihrem Weg über den Atlantik im August eine große Angst: Der Geheimdienst ging stets von zwei terroristischen Zellen aus, die in die Vorbereitung involviert gewesen sein sollen. Hochgenommen indes wurde nur eine. Die Gefahr besteht also in dieser Lesart weiter.

Wie viel Wahrheit die aus den Aussagen und aus Geheimdienstquellen gewonnenen Erkenntnisse enthalten und wie viel Dichtung, ist für die Sicherheitsexperten schwer einzuschätzen. Entsprechend zurückhaltend fallen die internen Bewertungen aus. Dennoch rufen Generalbundesanwältin Monika Harms und Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt zur Wachsamkeit auf.

Das Bundesinnenministerium wollte die jüngsten Informationen nicht bewerten. „Wir haben eine abstrakte Gefährdungslage, in der Anschläge nicht ausgeschlossen werden können“, sagte ein Ministeriumssprecher. Zu konkreten Erkenntnissen werde man sich wie stets nicht äußern. Selbstverständlich werde aber jeder Hinweis durch die Sicherheitsbehörden überprüft. Ein Sprecher der Berliner Innenverwaltung sagte am Sonntag dagegen: „Wir müssen zwangsläufig reagieren“. In der Hauptstadt stünden diese Woche Besprechungen mit dem Landes- wie mit dem Bundeskriminalamt an, um die Sicherheitslage in der Hauptstadt zu analysieren.

Erst vor wenigen Tagen hat der Haushaltsausschuss des Bundestages übrigens Gelder für das „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ (PSIS) für einen Ausbau der Internetüberwachung und zur verschärften Kontrolle von Bahn- und Flugverkehr bewilligt. Nach den CBS-Informationen zumindest haben die Terroristen insbesondere Bahnnetze und Fluglinien im Blick.

Unabhängig von neueren Geheimdiensterkenntnissen ist nach Ansicht des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, die Gefahr insbesondere durch hier lebende Islamisten hoch. „Bei uns leben Leute, die Anschläge verüben wollen“, sagte Freiberg. Angesichts der bisher in Deutschland verhinderten fünf islamistischen Terroranschläge, angesichts der versuchten Kofferbombenattentate vom Juli und angesichts von etwa 100 bekannten islamistischen Gefährdern in Deutschland warnte der GdP-Chef: „Man muss täglich mit einem Anschlag rechnen“. Und dabei sei die Polizei nicht in der Lage, die Gefährder rund um die Uhr zu überwachen.

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