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Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch bei seiner Rede in der Humboldt-Universität.

© Wolfgang Kumm/AFP

Europa-Rede von Olaf Scholz: Noch ein Fahrplan

Finanzminister Scholz rechnet mit einer Digitalsteuer. Aber Konzerne wie Google sollen erst in zwei Jahren zur Kasse gebeten werden.

Wer glaubt, dass Olaf Scholz (SPD) nicht zu visionären Politikentwürfen fähig ist, den versuchte der Hanseat am Mittwoch eines Besseren zu belehren. Gleich zu Beginn seiner Europa-Rede in der Humboldt-Universität erklärte der Finanzminister, dass selbst der frühere Kanzler Helmut Schmidt den Wert von Visionen zu schätzen wusste. Aber Scholz wäre nicht Scholz, wenn er nicht hinzugefügt hätte, dass konkrete politische Wegbeschreibungen genauso wichtig seien wie Visionen.

Bei der Europapolitik stehen beim EU-Gipfel Mitte Dezember ganz konkrete Themen auf der Tagesordnung. Das gilt unter anderem für die Digitalsteuer, für die sich vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einsetzt, um Konzerne wie Google oder Facebook künftig stärker zur Kasse zu bitten. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte sich angesichts der Diskussion um die Steuer enttäuscht über die Abwartehaltung in Berlin geäußert. Mehr europapolitischen Ehrgeiz erwarten von Scholz auch viele SPD-Bundestagsabgeordnete.

Der Finanzminister tat nun am Mittwoch in der Humboldt-Universität nichts, um dem Drängen Frankreichs nach einer möglichst raschen Einigung auf eine Digitalsteuer im EU-Rahmen weiter entgegenzukommen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es im Dezember zu einer Entscheidung über die Steuer kommen werde, sagte er. Scholz blieb allerdings bei seiner Haltung, dass zunächst nach einer Einigung im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gesucht werden solle. Durch die Einbindung der USA in den Entscheidungsprozess will die Bundesregierung vermeiden, dass der Handelskonflikt mit Washington noch weiter verschärft wird.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir uns bis Sommer 2020 auf ein Konzept einigen werden, bei dem die Vorschläge aus Deutschland eine große Rolle spielen werden“, sagte Scholz angesichts der OECD-Gespräche. Sollte es wider Erwarten bis 2020 zu keiner Einigung kommen, „müssen wir in Europa eigenständig handeln und vorangehen“, erklärte er. Er sei sich mit Le Maire darin einig, dass im Dezember ein EU-Fahrplan beschlossen werden soll, dem zufolge die neuen Regeln zur Digitalbesteuerung ab Januar 2021 automatisch wirksam werden.

Zuvor hatte Scholz gemeinsam mit Le Maire ein deutsch-französisches Kompromisspapier zum Euro-Zonen-Budget vorgelegt – ein weiterer Dauerbrenner im Verhältnis zwischen Berlin und Paris. In dem Papier war auf Wunsch der Bundesregierung festgehalten worden, dass ein solches Budget, das ab 2021 eingeführt werden könnte, zum Bestandteil des künftigen mehrjährigen EU-Finanzrahmens werden soll. Le Maire hatte im Sommer von einem jährlichen Budget von 20 bis 25 Milliarden Euro gesprochen. In der Humboldt-Universität erklärte Scholz, warum aus seiner Sicht nur eine Regelung innerhalb des EU-Haushaltsrahmens denkbar ist. Er bezweifele, dass als Alternative eine eigene Verabredung zwischen den Staaten mit dem Euro und „die Gründung einer zweiten EU neben der EU“ sinnvoll gewesen wäre.

Scholz will EU-weit nationale Mindestlöhne

Darüber hinaus sprach sich Scholz dafür aus, dass künftig in den EU-Staaten nationale Mindestlöhne etabliert werden, die mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen. Dieser Vorschlag sei „sehr diskussionswürdig“.

„Scholz hat keinen neuen substanziellen Vorschlag für die Wirtschafts- und Währungspolitik gemacht“, kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Der Finanzminister habe überzeugend argumentiert, dass Europa schwach wirke, weil es die schwierigen Debatten vermeide. „Mit seinen Vorschlägen scheitertet Scholz aber am eigenen Anspruch“, erklärte er.

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